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Bistum Görlitz

Caritas ist Seelsorge

Pastoralkonferenz

Görlitz - Vom 15. bis 17. Oktober 1997 trafen sich in Görlitz die Priester und pastoralen Mitarbeiter des Bistums zur alljährlich stattfindenden Pastoralkonferenz. In diesem Jahr nahmen auch mehrere Vertreter der Caritas teil, denn das Thema lautete "Caritas ist Seelsorge. Vision oder Realität im Bistum?

Professor Pompey, Direktor des Instituts für Caritaswissenschaft und christliche Sozialarbeit an der Universität in Freiburg führte in die vorgegebene Problematik mit den drei Schritten "Sehen - Urteilen - Handeln" ein. Ausgehend von der These unseres Papstes Johannes Paul II. "Der Mensch ist der Weg der Kirche" analysierte Pompey den Zustand unserer Gesellschaft

Einige Zahlen ließen aufhorchen. In einer Umfrage erklärten 64,8 Prozent der befragten Eltern, daß sie ihr körperlich und geistig gesundes Kind nicht mit einem geistig behinderten Kind spielen lassen würden. In Deutschland leben heute fünf Millionen Menschen in Armut, wobei Kinderarmut größer sei als Altersarmut. Andererseits steige der Wohlstand. So sei 1993 in den neuen Bundesländern 54 Prozent mehr Geld für Auslandsreisen ausgegeben worden als im Vorjahr, in Gesamtdeutschland insgesamt 60 Milliarden Mark. Eine weitere auffallende Entwicklung sei die zunehmende Individualisierung. Schon heute gebe es in Deutschland 30 Prozent Ein-Personen-Haushalte. Zwar steige dadurch die individuelle Freiheit, gleichzeitig entstünden neue Abhängigkeiten. Weil viele Stützen und feste Regeln wegfielen, sei anstelle dessen eine unüberschaubare Masse an Gesetzen getreten, die jede mögliche Meinungsverschiedenheit regeln sollen. Da es keine allgemeine Orientierung mehr gebe, müsse jeder alles selbst entscheiden, was oft eine Überforderung darstelle. In einer solchen Gesellschaft, wo jeder auf sich selbst gestellt ist und oft das Gericht Streitfälle zu lösen habe, komme es auch zur Privatisierung des Leidens

Man könne es sich nicht leisten, Schwäche oder Leiden zu zeigen, also wird es versteckt. Dadurch stehe der Betroffene allzu oft allein da. Hinzu komme ein neues Mißtrauen gegenüber Hilfsangeboten: Will der Helfer wirklich helfen oder Geld verdienen? Dieser Situation müsse sich auch die Caritas mit ihren bezahlten Mitarbeitern stellen. Der äußere Druck, wirtschaftlich zu arbeiten, dürfe nicht dazu führen, daß Hilfe von Geldleistungen abhängig gemacht werde. Caritas könne kein profitables Geschäft sein. Die ehrenamtliche Hilfe, ein Grundpfeiler kirchlicher Caritas, müsse gefördert werden. Dies könne und dürfe auch unser gut ausgebautes Netz institutioneller Hilfen nicht ersetzen. Nach Pompey sind in England 34 Prozent der Bevölkerung ehrenamtlich tätig, in Deutschland nur 18 Prozent

Angesichts dieser Beschreibung sei es notwendig, sich auf die geistige Quelle der Caritas zu besinnen. Nichts anderes als die Liebe des dreifaltigen Gottes sei Fundament und Stütze unseres karitativen Einsatzes. Unser Tun müsse daher davon getragen sein, daß der Hilfesuchende unsere Wertschätzung erfahre und ein Gefühl für seine unverlierbare Würde entwickele. "Man kann nicht auf Glaube, Hoffnung, Liebe ,machen', sondern sie nur bezeugen", sagte Pompey, "denn wir verkaufen keine Ware"

Caritasdirektor Rudolf Hupe erinnerte in seinem Referat auf die Verwiesenheit von Caritas und Gemeinde: Gemeinde sei ohne Caritas undenkbar, Caritas ohne Gemeinde sei unmöglich. Hupe sehe zum einen, daß sich kleine Gemeinden manchmal überfordert fühlen, ebenso gehe es auch manchmal den Mitarbeitern der Caritas. Umso mehr sei ein Zusammengehen nötig und höchst sinnvoll. Am Nachmittag wurde in einer Podiumsdiskussion über das Verhältnis von Caritas und Gemeinde nachgedacht. Seit der "Wende" habe sich das Verhältnis abgekühlt. Der Cottbuser Caritas-Kreisstellenleiter Bernd Lattig beklagte einen Mangel an Zusammenarbeit. Es gebe den Vorwurf, daß die Verwaltung zu sehr gewachsen sei. Andererseits werde zu wenig der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewürdigt. An diesem ersten Tag der Pastoralkonferenz wurde deutlich, daß gelebte Caritas viele Formen hat und nur ein Miteinander den Weg in die Zukunft weisen kann. Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der Hospizarbeit und Krankenhausseelsorge. Darüber wird in der nächsten Ausgabe berichtet. Alfred Hoffman

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 43 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.10.1997

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