Wer Mittun erwartet, muß selbst vorangehen
Seit 35 Jahren im Dienst seiner Gemeinde
Damit hatte Franz Brandl wirklich nicht gerechnet: Bischof Joachim Wanke überreichte ihm kürzlich für sein mehr als 35jähriges Engagement in der katholischen Gemeinde Gebesee die St.-Elisabeth-Medaille, die höchste Auszeichnung des Bistums. Der Küster der Gemeinde, Robert Schwarz, erhielt für seinen 25jährigen Dienst vom Bischof ein Buch als Sachgeschenk
Im vergangenen Jahr hatte Franz Brandl nach 28jähriger Tätigkeit sein Amt als Pfarrgemeinderats-Vorsitzender in jüngere Hände gelegt. Doch für vieles mit verantwortlich fühlt sich der eher zurückhaltende 65jährige, der aus dem Egerland im heutigen Tschechien stammt, nach wie vor. Seit der Vater von zwei erwachsenen Töchtern nicht mehr in der Berufsarbeit steht und seitdem Gebesee Filialgemeinde ist, hat er die Aufgabe des Rendanten übernommen. Folglich ist er Mitglied des Kirchenvorstandes. Doch auch im Pfarrgemeinderat ist Fanz Brandl noch immer engagiert. Kürzlich, zum Gemeindefest anläßlich des 50jährigen Bestehens der katholischen Gemeinde Gebesee, hielt er wie in vielen Jahren zuvor auch ganz selbstverständlich die Fäden in der Hand
Franz Brandl begann sich in der Zeit des Konzils für seine Gemeinde zu engagieren. "Mich und andere begeisterte der Gedanke, daß wir Christen wie die Gläubigen in der frühen Kirche das Leben in der Gemeinde selbst in die Hand nehmen sollen", erinnert sich Brandl. Zudem gingen damals etliche aus der Seelsorgestelle Gebesee fort, und so mancher fragte, wie es weitergehen würde
Zunächst übernahm Franz Brandl, der damals als Schlosser und Schmied in Erfurt arbeitete, ab 1965 den Lektorendienst. In dieser Zeit wurde auch die Arbeit der PGR "angeschoben", wie sich Brandl erinnert. 1968 wurde die Seelsorgestelle Gebesee eigene Pfarrkuratie. Vorsitzender des PGR wurde Franz Brandl. Oft fanden in dieser Zeit in Sömmerda Konferenzen des Dekanatsrates statt. Brandl: "So fuhr ich nach der Arbeit mit dem Zug nach Sömmerda und war erst gegen 22.00 Uhr zu Hause ... Doch die Konferenzen haben mir viel gegeben." Vier Jahre lang leitete Brandl, der inzwischen als Meister in seinem Betrieb arbeitete, selbst den Dekanatsrat
"In einer kleinen Gemeinde wie der unseren ist der PGR-Vorsitzende Mädchen für alles", sagt Brandl: Lieder im Gottesdienst anstimmen, im Winter die Öfen im Religionsunterrichtsraum heizen, den Schrubber in die Hand nehmen, Krippe und Weihnachtsbäume auf- und abbauen. So manches bleibt auch im Verborgenen... Zwischen 1970 und 1980 fanden regelmäßig Dekanatsfamilientage statt. Franz Brandl gehörte zu denen, die sie maßgeblich mit vorbereiteten und durchführten. Doch bei aller Mühe hat der langjährige PGR-Vorsitzende auch dankbar die Erfahrung gemacht: "Wenn es konkrete Dinge wie zum Beispiel das Ausmalen unserer Kapelle anzupacken galt, habe ich immer hilfsbereite Gemeindemitglieder gefunden." Eine Voraussetzung gelte jedoch: "Mittun erwarten kann nur der, wer selbst vorangeht.
Irgendwann in den 80er Jahren sagte ihm der damalige Pfarrer: "Also wenn ich nicht da bin, dann halten Sie mal einen Wortgottesdienst." Seitdem übernahm Brandl gelegentlich die Leitung eines solchen Gottesdienstes. Als dann 1991 kein Pfarrer mehr in der Gemeinde war, hielt Franz Brandl, der inzwischen auch als Abgeordneter im Stadtrat saß, Kreuzwege, Rosenkranz- und Maiandachten. "Die Gemeinde hat mich akzeptiert", sagt Brandl dankbar
Für wichtig hält der langjährige PGR-Vorsitzende, daß der jeweilige Seelsorger die Aktiven in der Gemeinde immer wieder in ihrem Engagement ermutigt. "Es kommt auf ein harmonisches Zusammenwirken an", so Brandl. Auch untereinander im PGR sei es gut, sich immer wieder gegenseitig Mut zu machen
Zeit für rein private Beschäftigungen bleiben dem engagierten Mann wenig. Ein Hobby pflegt er allerdings, doch auch dieses hat etwas mit der Gemeinde zu tun: Er unterhält einen Schrebergarten und züchtet darin vor allem Blumen - in erster Linie für Kirche und Gottesdienst
Eines steht für Franz Brandl fest: "Es macht niemand 35 Jahre lang einen solchen Dienst für die Gemeinde, ohne daß er immer wieder um Kraft dafür bittet. Denn in Zeiten, in denen man sich überfordert fühlt, kommt die Frage: Warum gerade ich? Was habe ich davon?" Franz Brandl ist in den Jahren das Wort des Apostels Paulus wichtig geworden, daß wir aus eigener Kraft nichts vollbringen können, wenn Gott es nicht tut. Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.11.1997