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Aus der Region

"Der Himmel über Berlin"

Dritter katholischer Studententag an der Humboldt-Uni

Berlin (ep/br) - Für eine vielseitige und lebensnahe Präsens der Kirchen in den Städten hat sich der Kölner Fundamentaltheologe Hans-Joachim Höhn ausgesprochen. Gerade den Menschen in den Metropolen stellt sich hartnäckig die Frage nach dem Sinn und Ziel menschlicher Existenz, sagte Höhn bei der Eröffnung einer dreitägigen Veranstaltung zum Thema "Der Himmel über Berlin. Christentum an der Schwelle zum dritten Jahrtausend". Zu dem Studientag hatten vom 29. bis 31. Oktober die beiden katholischen Studentengemeinden Berlins an die Humboldt-Universität eingeladen. Es war der dritte Studientag an der Alma Mater seit der Wende. Bei der Auftaktveranstaltung wurde zugleich eine Fotoausstellung vor dem Senatssaal der Linden-Universität eröffnet, die sich mit demselben Thema befaßt

Nach Auffassung von Professor Höhn sollte sich das Christentum wieder mehr "auf symbolische Inszenierungen besinnen". So könnte ein modern inszeniertes Mysterienspiel wie der "Jedermann" in einer Fußgängerzone oder gar vor einer Bank durchaus bei Vorrübergehenden Fragen nach dem Sinn des Lebens aufwerfen. Höhn plädierte für eine Passantenpastoral in den Innenstädten, wie sie etwa am Kölner Domplatz mit dem Domforum praktiziert wird

Daß es im Hinblick auf die religiös-kirchliche Situation in Deutschland erhebliche Unterschiede gibt, machte Detlef Pol-lak in seinem Vortrag am zweiten Veranstaltungsabend deutlich: "Was das religiöse Umfeld angeht", so der Kultursoziologe aus Frankfurt (Oder), "haben wir es in Ost und West mit zwei ganz verschiedenen Gesellschaften zu tun." 80 Prozent Christen in den alten stünden rund 28 Prozent in den neuen Bundesländern gegenüber. Pollack: "Was von der alten Ideologie bleibt, ist eine flächendeckende areligiöse Prägung." Die Prognose, die Ostdeutschen würden sich begierig auf Sekten und obskure Jugendreligionen einlassen, habe sich als falsch erwiesen. Grund: "Die Menschen im Osten haben sich gegenüber allen Formen des Außergewöhnlichen eine pragmatische Skepsis bewahrt." Für die Zukunft empfahl Pollack der Kirche, im Zeitenwandel "als Kirche Kirche zu bleiben"

Daß die christliche Botschaft nur Lebenskraft besitzt, wenn kirchliche Räume "Sprach- und Gesten-Häuser" sind, diese Auffassung vertrat der Hamburger Erziehungswissenschaftler Fulbert Steffensky. Der Ehemann der Theologin Dorothee Sölle plädierte dafür, "die Sperrigkeit und Fremdheit des Evangeliums nicht durch Überanpassung der Verkündiger zu verwässern". So sieht er zum Beispiel in Jesaja 35 einen Text, der seine "prophetische Kraft dadurch bewahrt hat, daß er gesellschaftlichen Außenseitern wie Lahmen und Blinden eine Vision menschlicher Würde bietet"

Auch für den Politiker und Theologen Richard Schröder (SPD) ist die "Menschenwürde" ein entscheidender Leitbegriff. Von der Entstehung des jüdisch-christlichen Menschenbildes bis zum Grundgesetz ziehe sich ein roter Faden durch die Geschichte. Diese Tradition dürfe nicht ihr Fundament verlieren, so Schröder am dritten Veranstaltungsabend: "Ohne das Christentum greift die Inhumanität weiter um sich, weil dann auch die persönliche Schuld verschwindet." Eine Podiumsdiskussion zum Thema "Braucht unsere Gesellschaft das Christentum" schloß den dritten Studientag ab

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.11.1997

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