Bischof Reinelt: Versuch der Wiedergutmachung
Sonderkollekte für Synagogenaufbau
Dresden (tdh) - Die katholischen Christen im Bistum Dresden-Meißen sind an diesem Sonntag (9. November) zu einer Sonderkollekte für den Aufbau der Synagoge in Dresden aufgerufen. Ein entsprechender Text wurde am vergangenen Sonntag in den Gottesdiensten verlesen. Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt, der zu dieser Sonderkollekte aufruft, gehört zu den Schirmherren des Förderkreises "Bau der Synagoge Dresden"
In dem Aufruf erinnerte der Bischof an die Pogrome und die brennenden Synagogen vom 9. November 1938. Dagegen solle mit der Kollekte ein Zeichen gesetzt werden: "Wir sind verpflichtet, der kleinen jüdischen Gemeinde beim Wiederaufbau zur Seite zu stehen." Die Synagoge solle gleichzeitig ein Bethaus der anwachsenden jüdischen Gemeinde und ein Ort der Begegnung werden
Gegenüber der Pressestelle des Bistums begründete der Bischof die Sonderkollekte: "Den Juden, unseren älteren Brüdern im Glauben, ist durch die Nationalsozialisten schweres Unrecht geschehen. Mit dem Brand der Synagogen in Deutschland hat Auschwitz begonnen. Und es waren unsere Vorfahren - auch in Dresden - die mittaten oder tatenlos wegsahen. Nur wenige haben sich gewehrt oder geholfen. Wir haben heute die Chance, es anders zu machen. Wir können einen Versuch der Wiedergutmachung wagen, die angesichts der Millionen Toten Stückwerk bleiben wird. Früher hatte Dresden eine große lebendige jüdische Gemeinde. Heute übersteigt der Neubau die Kräfte einer kleinen Zahl.
Der Diözesanrat, das oberste Laiengremium des Bistums, hat sich dem Aufruf des Bischofs angeschlossen und betont, daß die Zerstörung der Synagogen in vielen Städten und Gemeinden "nicht eine Folge des zweiten Weltkrieges, sondern eine seiner Ursachen war". Die Pogromnacht des 9. November 1938 sei die für alle sichtbare Einleitung des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte gewesen, "in dessen Verlauf die schon seit 1933 betriebene Verfolgung der Juden immer mehr verschärft und auf Hitlers Weisung hin schließlich dann die völlige Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland als ,Endziel' proklamiert wurde". Der Diözesanrat verweist in seinem Auruf auf die Gedenktafel an der Dresdner Kreuzkirche, mit der die Christen "in Scham und Trauer" der ermordeten und vertriebenen jüdischen Mitbürger gedenken. Im Neubau der Dresdner Synagoge, der in der Nähe des alten Standortes an der Carolabrücke entstehen soll, "sehen wir ein besonderes Zeichen der Versöhnung und Wiedergutmachung und einen Akt der Solidarität und Gerechtigkeit"
Die Semper-Synagoge wurde nach Entwürfen von Gottfried Semper zwischen 1838 und 1840 errichtet. In der Nacht des 9. November 1938 war sie von Nationalsozialisten in Brand gesteckt worden. Die heute rund 150 Mitglieder zählende Gemeinde plant für den 60. Jahrestag des Pogroms die Grundsteinlegung für eine neue Synagoge. Das rund 20 Millionen Mark teure Gemeindezentrum soll weitgehend aus Spenden finanziert werden
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.11.1997