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Bistum Magdeburg

Vor kirchlicher Lehre dem eigenen Gewissen folgen

Ökumenetag in Halle: Diskussion zur Eucharistie

Halle (dw) - Die Freude über das Gemeinsame und das nüchterne Bewußt-Machen bestehender Hemmschwellen standen im Mittelpunkt des Ökumenetages am 25. Oktober in Halle. Die Ökumenische Kommission der katholischen und evangelischen Kirchen in Sachsen-Anhalt hatte ökumenisch interessierte Christen beider Konfessionen eingeladen, sich einen Tag lang über das Thema "Eucharistie und Abendmahl" auszutauschen

Zum Einstieg stellten die beiden Referenten, der katholische Erfurter Theologe Dr. Siegfried Hübner und der evangelische Leipziger Theologie-Professor Ullrich Kühn, die jeweilige Sicht ihrer Konfession auf Eucharistie und Abendmahl dar. In ihren Manuskripten hatten die beiden ohne vorherige Absprache ganze Passagen gleich formuliert. Den einzigen theologischen Trennungsgrund sahen beide im Verständnis des ordinierten Amtes

In der anschließenden Diskussion interessierten sich die Teilnehmer besonders für Fragen der Praxis: "Darf ich als Katholik zum evangelischen Abendmahl gehen?" fragte ein Teilnehmer. Evangelische Christen verwiesen ihn auf die verbriefte Abendmahls-Gastfreundschaft ihrer Kirche. Siegfried Hübner erläuterte die Haltung der katholischen Kirche: Ein evangelischer Christ könne mit Erlaubnis des zuständigen katholischen Bischofs zur Eucharistie zugelassen werden, wenn er gerne das Abendmahl empfangen möchte, dazu aber keine Möglichkeit hat. Ein katholischer Christ dürfe offiziell nicht am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Ein Katholik sei allerdings verpflichtet, vor der kirchlichen Lehre dem eigenen Gewissen zu folgen. Bei der Gewissensentscheidung sollte die offizielle Regelung mit einbezogen werden. Hübner selbst ermutigte zu bewußten Gewissensentscheidungen, zeigte sich selbst aber skeptisch, ob er als Katholik ausgerechnet an diesem Punkt Barrieren durchbrechen solle. Wenn er während einer Zusammenkunft des evangelisch-katholischen Theologenkreises, dem er angehört, an einer Eucharistiefeier teilnehme, verzichte er dabei in der Regel bewußt auf die Kommunion. Die Bindung an die eigene Kirche sei ihm so wichtig, daß er zunächst auf die Bereiche sehen möchte, in denen Einheit möglich sei, aber noch längst nicht praktiziert werde

Gerhard Nachtwei, katholischer Pfarrer von Burg, wies darauf hin, daß in der Frage der eucharistischen Gastfreundschaft in der katholischen Kirche Deutschlands eine große Vielfalt bestehe, zwischen Ost und West, einzelnen Regionen und einzelnen Priestern. Durch die Taufe gehörten die Christen eigentlich schon zu einer Kirche und lebten in Gemeinschaft, wenn auch nicht in voller. Einerseits lehre die katholische Kirche, daß die Eucharistie zur Einheit hinführe, andererseits werde die Einheit als Voraussetzung für die Eucharistie bezeichnet. Dies lasse einen Interpretationsspielraum, mit dem er selbst und andere Priester lebten. Nachtwei sprach sich für eine Regelung aus, derzufolge jede katholische Bischofskonferenz über die Einführung der eucharistischen Gastfreundschaft in ihrer Region entscheiden könne, ähnlich wie bei der Handkommunion

Die Theologen des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt hätten die Bischöfe schon vor Jahren einhellig gebeten, evangelische Christen in der Frage der eucharistischen Gastfreundschaft ebenso wie die orthodoxen zu behandeln, sagte Hübner

Bereits vor 20 Jahren hätten Theologen wie Walter Kasper und Karl Lehmann darauf aufmerksam gemacht, daß die Nicht-Anerkennung der evangelischen Ordinationen mit einem "Etikettenschwindel" verbunden sei. Die katholische Kirche berufe sich bei der Nicht-Anerkennung der evangelischen Weihen nach wie vor auf das Konzil von Trient, weil man dort angeblich beschlossen hätte, nur von Bischöfen vollzogene Bischofs- und Priesterweihen (sogenannte apostolische Sukzession) anzuerkennen. In Wirklichkeit sei dieser Beschluß in Trient zwar diskutiert, aber gar nicht beschlossen worden. Vielmehr hätte man in Trient gesagt: "Wenn wir das beschließen, machen wir viele Kirchenväter und Bischöfe zu Häretikern.

Evangelische wie katholische Diskussionsteilnehmer äußerten ihr Unverständnis darüber, daß die katholische Kirche eucharistische Gastfreundschaft selbst den Kirchen nicht gewähre, die die Apostolische Sukzession hätten, etwa der anglikanischen und der nordisch-lutherischen. Professor Kühn erläuterte in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen Theologie und Kirchenrecht. Eine Reihe von theologischen Übereinstimmungen hätten im Kirchenrecht noch keinen Niederschlag gefunden. Die theologische Verständigung sei jedoch soweit fortgeschritten, daß "die Kirchenrechtler nachdenken müßten"

In eindringlichen Appellen sprachen sich Vertreter beider Kirchen zum Abschluß der Tagung dafür aus, angesichts der Lage von Christenheit und Gesellschaft den Blick nicht auf Trennendes und auf Ängste voreinander zu legen, sondern vom kirchlichen Raum weg auf das Glaubenszeugnis. Die ökumenische Kommission in Sachsen-Anhalt hat für die Adventszeit Anregungen für ökumenische Hausgebete erstellt. Christen aller Konfessionen sollten sich zusammensetzen und gemeinsam überlegen: "Was wollen wir als Christen für unseren Ort sein?" Gemeinsames Glaubenszeugnis müsse keineswegs bedeuten, den "von den Vätern ererbten Reichtum" über Bord zu werfen, sagte Professor Kühn. Katholiken und Lutheraner hätten ihren jeweils spezifischen Beitrag für die Gesellschaft zu geben. Die lutherische Rechtfertigungslehre lege den Akzent darauf, Schuld zuzugeben und aus der Vergebung zu leben. Katholiken betonten hingegen mehr die verwandelnde Gnade Gottes. Diese keinesfalls widersprüchlichen Aussagen sollte die christliche Minderheit in Politik und Wirtschaft tragen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.11.1997

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