Menschenwürde in der Medizin
Nachdenken über Bioethik-Konvention in Ravensbrück
Berlin (rc / tdh) - Kritik an der Bioethik-Konvention des Europarates hat der Tübinger Theologieprofessor und Sozialethiker Dietmar Mieth geäußert. "Unzureichend" seien vor allem der Embryonenschutz und die Regelungen zur Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen, sagte er bei einer Veranstaltung des Fördervereins der "Internationalen Frauenbegegnungsstätte Ravensbrück am 8. November. Nachdrücklich forderte Mieth ein totales Klonierungsverbot für menschliches Leben. "Menschen dürfen nicht instrumentalisiert werden, betonte er
Thema der Veranstaltung war die heutige Bedeutung der medizinischen Experimente in der NS-Zeit. Scharfe Kritik übte der katholische Sozialethiker an der Stellungnahme des Zentralkomitees deutscher Katholiken vom August zur Bioethik-Konvention. Es sei äußerst gefährlich, der Konvention mit dem Hinweis zuzustimmen, sich "Handlungsspielräume offenhalten zu wollen". Einen "katholischen Segen" habe die Konvention nicht gebraucht. Er selbst habe erst durch die Presse von ihrem Inhalt erfahren, sagte Mieth, der Mitglied in der Arbeitsgruppe Biomedizin des Zentralkomitees ist. Der Theologe rief zur verstärkten Aufklärung über die Bioethik-Konvention auf. Daran sollten sich auch Journalisten beteiligen. Kritische Bürger könnten sich zudem direkt an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wenden und sich gegen eine Ratifizierung aussprechen
Die polnische Ärztin Wanda Poltawska, die 1942 mit 72 weiteren Frauen ihrer Widerstandsgruppe aus Lublin in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück kam und dort den grausamen medizinischen Menschenexperimenten der SS-Ärzte ausgesetzt war, betonte, daß damals völlig gesunde Menschen von den Ärzten ausgenutzt worden seien. Die große Gefahr, daß Ärzte die Würde der Patienten verletzten, bestehe noch heute. Poltawska sprach sich deshalb für einen tiefgründigen Ethikunterricht an allen medizinischen Fakultäten aus
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.11.1997