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Bistum Magdeburg

Mit einem Auto fing die Freundschaft an

Partner seit fünf Jahren

Magdeburg (dw) - Die Partnerschaft der Bistümer Magdeburg und Paderborn beruht auf jahrhundertelanger gemeinsamer Geschichte. Anders Magdeburgs zweite Bistumspartnerschaft, die ohne historische Wurzeln und bisher auch ohne vertragliche Vereinbarungen lebt. Ein Auto gab vor fünf Jahren das Startsignal für die Partnerschaft mit dem litauischen Bistum Kaisiadorys: Der Delegat der litauischen Katholiken in Deutschland, Prälat Antanas Bunga, fragte 1992 bei der Deutschen Bischofskonferenz nach einem Kleinbus für die litauische Diözese Kaisiadorys. Der Magdeburger Bischof Leo Nowak erfüllte den Wunsch

Sein Beweggrund war der gleiche, das ein gutes Jahr zuvor bereits zur Gründung der "Partnerschaftsaktion Ost" im Bistum Magdeburg geführt hatte: "Wir, die wir das Glück haben, jetzt zur Bundesrepublik zu gehören, dürfen auf keinen Fall unsere Kontakte nach Osteuropa vernachlässigen", hatte Bischof Nowak damals betont. "Dort leben die Brüder und Schwestern, die Gott neben uns gestellt hat." Das Bewußtsein dafür will er wachhalten, unter anderem durch den offiziellen Charakter, den eine Bistumspartnerschaft hat

Kurze Zeit nach der ersten "Kontaktaufnahme" brachte der damalige Magdeburger Seelsorgeamtsleiter Gerhard Nachtwei, begleitet von einigen deutschen Jugendlichen und mozambiquanischen Erwachsenen, einen kleinen Hilfstransport in die Diözese Kaisiadorys

Im Jahr darauf hielt er auf Einladung des Bistums Kaisiadorys gemeinsam mit der Gemeindereferentin Marianne Werner, der Leiterin der Abteilung Katechetische Unterweisung im Magdeburger Ordinariat, eine erste einwöchige Fortbildung für Religionslehrerinnen und -lehrer in Litauen - nicht ohne Bauchschmerzen. Auf keinen Fall wollten die beiden als ostdeutsche "Besser-Wessis" auftreten und den Litauern Patentrezepte überstülpen. "Wir haben einfach unsere positiven und negativen Erfahrungen mitgeteilt", erzählt Pfarrer Nachtwei

Die Unterrichtsstunden, die sie für durchschnittlich 60 Lehrer und auch für deren Schüler hielten, waren ganz anders als die es gewöhnt waren: Statt Lehrbuchwissen einzupauken, regten die beiden Magdeburger Dozenten Spiele und andere Aktivitäten an und sprachen mit den Unterrichtsgruppen über deren Erfahrungen mit Glauben und Kirche. Im zurückliegenden Sommer ging es zum Beispiel um die Frage, wie man Kindern helfen kann, die heilige Messe innerlich mitzuvollziehen

Der Gottesdienstbesuch von Kindern und Jugendlichen ist in dem traditionell katholischen Litauen stark rückläufig, obwohl sich in den vergangenen Jahren am Stil der Gottesdienste schon einiges geändert hat. Ein Litauer, der in Magdeburg verheiratet ist und als Reisebegleiter der beiden Katechese-Dozenten nach vier Jahren erstmals wieder in seine Heimat kam, sagte auf die Frage nach augenscheinlichen Veränderungen: "Jetzt schafft man während der Messe keinen ganzen Rosenkranz mehr.

Einen Seminartag haben Marianne Werner und Gerhard Nachtwei in diesem Jahr mit Mitarbeitern sogenannter kirchlicher Familienzentren verbracht. Viele Litauer heiraten sehr früh, die Scheidungsrate ist äußerst hoch. Der Bischof von Kaisiadorys, Juozas Matulaitis, möchte für die Familien in seinem Bistum etwas tun. Er hat deshalb angeregt, daß sich in den Pfarrgemeinden Zentren bilden, die Ehevorbereitung und Eheberatung anbieten und in den Schulen Unterrichtsstunden zum Thema Ehe halten. Unter Leitung von engagierten Lehrerinnen sind einige solcher Zentren bereits entstanden in Gemeinden, wo auch die Priester offen waren für die neue Idee. Die Katechesen waren die ersten Bausteine der Partnerschaft mit Kaisiadorys. Längst sind eine Reihe weiterer Initiativen hinzugekommen. Bischof Leo Nowak betrachtet die Bistumspartnerschaft als gegenseitiges Nehmen und Geben: "Wir können von den litauischen Katholiken viel lernen." In der sowjetischen Zeit hätten sie sehr gelitten, viele von ihnen wurden nach Sibirien deportiert, viele Priester verhaftet. Die neue Gesellschaftsordnung sei auf diesem Hintergrund eine Befreiung für die Kirche, mit der die Kirche allerdings selbst erst einmal zurechtkommen müsse. Das brauche Zeit, denn mit der freiheitlichen Demokratie kämen sofort auch alle Auswüchse dieser Freiheit in das Land

Als bewundernswert hebt Bischof Nowak die "tiefe Frömmigkeit" der katholischen Christen in Litauen hervor: "Niemand von uns darf diese geringschätzen oder sich darüber erheben. Diese tiefe Religiosität hat vielen geholfen, trotz massiven Drucks durch das damalige Sowjetregime im Glauben standzuhalten". Die Wende für die Kirche sei dort viel aprupter als hier gewesen, da Litauen vom Westen völlig abgeschnitten war: Es gab keine westliche theologische Literatur, das Zweite Vatikanische Konzil sei in Litauen praktisch nicht angekommen. Viele Ängste vor einer Liberalisierung seien verständlich. Wache Leute seien sich aber bewußt, daß es so wie bisher nicht weitergehen könne. Leo Nowak wünscht der Litauischen Kirche für die Zukunft, "daß sie ohne die eigene Identität aufzugeben, offen ist für neue Entwicklungen und nach dem Wort der Apostel verfährt: Prüfet alles, das Gute aber behaltet". Er selbst fährt - trotz eines vollen Terminkalenders und zahlreicher anderer Kontakte mit Katholiken in Bulgarien, Polen und Tschechien mindestens einmal im Jahr für einige Tage ins Bistum Kaisiadorys

Mit Begeisterung und Einsatzbereitschaft haben auch einige Jugendliche den Gedanken der Bistumspartnerschaft aufgegriffen. 1995 verbrachte eine litauisch-deutsche Jugendgruppe erstmals zwei gemeinsame Religiöse Jugendwochen im litauischen Aukstadvaris. Seither finden die sommerlichen Begegnungen regelmäßig im Wechsel in Litauen und im Jugendhaus des Bistums Magdeburg statt. Während allerdings bei den Litauern der Ansturm so groß ist, daß die Teilnehmer einmal sogar durch einen Aufsatzwettbewerb ausgelesen werden mußten, ist es in Magdeburg immer wieder mühsam, genügend Interessenten zu finden. "Die Leute wissen gar nicht, was ihnen da entgeht", sagt Norbert Sluka aus Elbingerode, einer der Litauen-Fahrer dieses Jahres. Nach ihrer Rückkehr hat die Gruppe ein großes Schild gebastelt, das die Gäste des Jugendhauses Roßbach fortan auf die Gelegenheiten zum "Brückenbau" zwischen Magdeburg und Kaisiadorys hinweist

Bei seinen jüngsten Litauen-Besuchen ist Pfarrer Nachtwei dazu eine weitere Idee gekommen: Immer wieder sprechen ihn litauische Jugendliche an, die gerne eine Zeitlang in Deutschland leben würden, um das Partnerbistum, aber auch die deutsche Sprache und Kultur kennenzulernen. Er schlägt Familien vor, litauische Jugendliche für einige Monate zu sich einzuladen und sie am Familien- und Gemeindeleben teilnehmen zu lassen

Persönliche Initiative ergriff der Bitterfelder Pfarrer Johannes Grams, der zu seinem 40. Priesterjubiläum im Juni auf materielle Geschenke verzichtete und stattdessen um Geld für das Bistum Kaisiadorys bat. In dem Dorf Paparciai hat die katholische Kirche Gebäude zurückerhalten, die der Staat einst beschlagnahmt hatte. Dank der Spenden aus Bitterfeld hat der Umbau dieser Gebäude zu einem Altenheim und Waisenhaus erhebliche Fortschritte gemacht. Da in Bitterfeld ein neues Krankenhaus gebaut wird, konnte die katholische Gemeinde außerdem 100 Pflegebetten bekommen, die nun mit Hilfe von Bitterfelder Firmen nach Litauen transportiert werden.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.11.1997

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