Manchmal ist Kirche ein bißchen wie Zirkus

Magdeburg (dw) - Nicht nur für Christen soll das Magdeburger Roncalli-Haus offenstehen, hatte Bischof Leo Nowak bei der Einweihung vor zwei Jahren gesagt. Der gesamten Bevölkerung sollte mit dem katholischen Bildungshaus ein Raum der Begegnung und der konstruktiven Auseinandersetzung mit wichtigen Fragen der Zeit zur Verfügung gestellt werden. In der Tat wird das Bildungshaus in Magdeburgs Stadtzentrum mit seinen 14 Seminarräumen immer beliebter bei Gruppen, die mit der katholischen Kirche eigentlich wenig zu tun haben

"Die Atmosphäre des Hauses wirkt sich positiv auf den Inhalt und Verlauf unserer Veranstaltung aus", haben der Hausleiterin Rosel Förster zum Beispiel die Mitglieder eines Komitees zur Aufarbeitung der Stasivergangenheit gesagt. Mitarbeiter der Magdeburger Staatskanzlei und des Innenministeriums gehörten ebenfalls zu den Gästen. Parteien und Sekten möchte das Roncalli-Haus allerdings keine Plattform bieten

Bei den nicht binnenkirchlichen Veranstaltungen läßt sich Rosel Förster nach Möglichkeit eine Zeitlang selber blicken. Oftmals wird sie dann angesprochen auf die Offenheit, die das Roncalli-Haus austrahlt. Manchmal weist sie auch auf den "Namenspatron" des Hauses hin, Papst Johannes XXIII., der mit bürgerlichem Namen Angelo Roncalli hieß und der sich für eine größere Öffnung der Kirche gegenüber der Gesellschaft eingesetzt hatte

Auseinandersetzung und Dialog mit Andersdenkenden wird im Roncalli-Haus Tag für Tag praktiziert - und wenn es nur im Fahrstuhl ist

Wenn eine Gruppe von Pfarrgemeinderatssprechern zeitgleich mit der Friedrich-Ebert- oder der Konrad-Adenauer-Stiftung tagt, wenn Priesterwerkwochen sich mit einer Konferenz von Sozialarbeitern des Magdeburger Magistrats überschneiden oder wenn der Landfrauenverband und der Katholische Frauenbund Deutschlands zusammentreffen, passiert es immer wieder, daß Teilnehmer unterschiedlicher Veranstaltungen miteinander ins Gespräch kommen über gesellschaftliche Fragen oder auch über den christlichen Glauben

"Das soll ein Papst gesagt haben?" hat schon mancher Gast positiv überrascht gefragt, als er eines der Roncalli-Zitate las, die in den Schlafräumen des Bildungshauses aufgehängt sind. "Hat Ihr Haus etwas mit dem Zirkus Roncalli zu tun?" wollten schon einige von den Mitarbeitern des Roncalli-Hauses wissen. "Kirche ist manchmal auch ein bißchen wie Zirkus", sagt Rosel Förster schmunzelnd und meint das durchaus im positiven Sinne: "Auch wir wollen den Menschen Freude machen.

Bis zum Jahresende ist das Roncalli-Haus ausgebucht. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Übernachtungen bei 7500 bis 8000, wobei die Zahl der Tagesgäste, die nicht übernachten, erheblich höher liegt

Für dieses Jahr rechnet Rosel Förster mit knapp 11 000 Übernachtungsgästen, die Hälfte sind reine Bistumsgruppen, die andere Hälfte sind Gruppen aus anderen Bistümern und nichtkirchliche Veranstaltungen