Die Verbindung ins normale Leben erhalten
Caritas Leipzig sucht Helfer, die Gefangene betreuen
Leipzig (tdh) - Ein beklemmendes Gefühl hatten alle, als die schweren Tore der Justizvollzugsanstalt Leipzig krachend ins Schloß fielen. Die Besichtigung bildete den Abschluß einer Vortragsreihe zum Leben mit Strafgefangenen, zu der die Caritas Leipzig im Oktober und November eingeladen hatte. Ziel der Veranstaltungen war es, ehrenamtliche Helfer zu gewinnen, die sich um die Menschen im Knast kümmern. Die Initiative dazu ging von Michael Gerczewski aus, der sich im Auftrag der Caritas Leipzig um Strafgefangene und Entlassene kümmert. Zugleich ist er Vorsitzender des Beirates der JVA-Leipzig. Michael Gerczewski betont: "Für uns ist es eine Aufgabe, die Gefangenen während ihrer Zeit hinter Gittern zu begleiten und so die Verbindung ins normale Leben zu erhalten." Ein Anliegen, das auch für den Leiter der JVA, Rolf Jacob, wichtig ist. Er führte die Besucher auf ihrem Gang durch die Einrichtung
Besonders problematisch, so Rolf Jacob, ist der Umstand, daß der Komplex auf der Alfred-Kästner-Straße seit Jahren hoffnungslos überbelegt ist, eine Situation, die übrigens für alle Gefängnisse in Sachsen gilt. So mußten aus Einbett- Zweibettzellen werden. Was für die Gefangenen nicht einfach ist. Da sich die meisten in Untersuchungshaft befinden und auch kaum Arbeitsmöglichkeiten im Haus bestehen, können sie die Zelle nur selten verlassen. Abhilfe verspricht ein Neubau im Südosten der Stadt
Das Gebäude an der Alfred-Kästner-Straße wurde in den Jahren 1902 bis 1904 gebaut. Derzeit sitzen rund 400 Jugendliche und Erwachsene ein, ein Viertel davon sind Ausländer. Im Auftrag der JVA arbeiten bereits 40 Ehrenamtliche mit Gefangenen. Dazu kommen drei Sozialarbeiter, zwei Psychologen, je eine Ärztin und ein Lehrer sowie zwei Seelsorger. Katholischerseits wird diese Aufgabe von Dominikanerpater Damian Meyer wahrgenommen
Höhepunkt des Rundgangs der Caritasgruppe war ein Treffen mit zwei Inhaftierten im Gottesdienstraum, sie wurden von der Sozialberaterin der JVA begleitet. Besonders am Herzen lag die Frage, ob die Gefangenen überhaupt einen Kontakt mit einem ehrenamtlichen Helfer wünschen. Diese wurde bejaht. Nicht wenige der Insassen, so die beiden Häftlinge, stehen ohne familiären Kontakt da und sind drinnen wie draußen völlig auf sich allein gestellt. Aber auch das Treffen mit dem Anstaltslehrer machte deutlich, wie wichtig die Begegnung zwischen Menschen drinnen und Menschen draußen ist. Für seine Person betonte der Lehrer, daß er im täglichen Kontakt innerhalb der JVA mehr positive Erlebnisse habe als im herkömmlichen Schulbetrieb
Jetzt hofft die Leipziger Caritas, daß sich recht viele der Teilnehmer für den ehrenamtlichen Dienst entscheiden. Derzeit stehen Michael Gerczewski nur zwei Personen zur Seite. Ihm ist klar, daß nach der Bereitschaft zuerst eine Zeit des Ausprobierens kommen muß. Dabei müssen die Frauen und Männer auch mit Rückschlägen rechnen, denn eine Begegnung mit einem fremden Menschen ist immer ein Wagnis, erst recht wenn er unter besonders schwierigen Verhältnissen lebt
Weitere Informationen: Caritasverband Leipzig, Elisabeth Kuschel, Meinhard Link und Michael Gerczewski, Elsterstraße 15 in 04109 Leipzig, Tel. 0341/96 36 120
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 30.11.1997