Geschichte von Bautzen II
Stichwort
Zwischen 1902 und 1906 entstand in der Bautzner Ostvorstadt ein neues Justizgebäude, das Amts- und Landgericht unter einem Dach vereinte. In diesen Komplex fügt sich ein fünfgeschossiges Untersuchungsgefängnis ein. Darin 160 Einzel- und 28 Doppelzellen für etwa 230 Häftlinge. Bis 1945 war es außer mit Untersuchungshäftlingen auch immer mit verurteilten Strafgefangenen belegt
Während der Nazizeit stieg die Zahl der politischen Häftlinge. 1945 beschlagnahmten die Sowjets Justizgebäude und Gefängnis. Bautzen II wurde sowjetisches Internierungslager. Inhaftiert waren Menschen, die aufgrund eines NKWD-Befehls zur Internierung von aktiven Nationalsozialisten verhaftet worden waren. In Geheimprozessen waren sie zu Haftstrafen zwischen 15 und 25 Jahren verurteilt worden - unabhängig von ihrer tatsächlichen Schuld. Zusammen mit dem zweiten Bautzner Gefängnis, dem Gelben Elend";, übergaben die Sowjets 1950 Bautzen II an das Ministerium des Innern der DDR
Der wohl wichtigste Einschnitt in der Geschichte des Gefängnisses fand 1956 statt. Bautzen II wurde als einzige Strafvollzugsanstalt direkt dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Am 9. August 1956 kam der erste Gefangenentransport mit etwa 90 Personen in Bautzen an. Über 33 Jahre wurden hier politische und Sonderstrafgefangene inhaftiert, Männer und Frauen, und manches Ehepaar wußte jahrelang nicht, daß sie unter dem selben Dach lebten
Bei den Montagsdemonstrationen 1989 in Bautzen war der Ruf Stasi raus!"; auch bis in die Gefängniszellen zu hören. Vor dem Tor und an den Mauern standen Kerzen. Wenige Tage vor Weihnachten wurden durch die Bemühungen der Bürgerbewegung die letzten ausschließlich aus politischen Gründen Verurteilten entlassen. Im Januar 1992 schließlich wurde die Anstalt geschlossen und auf Beschluß des sächsischen Landtages zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte umgestaltet, in der aller Opfer politischer Gewaltherrschaft in sächsischen Gefängnissen gedacht werden soll
pk
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.12.1997