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Bistum Erfurt

Engagement für seelisch Behinderte

Christophoruswerk Erfurt

Erfurt (ep) - Torsten F. möchte wieder in einer eigenen Wohnung leben. Weil es ihm psychisch nicht gut ging, wurde er im Heim für Menschen mit seelischer Behinderung am Erfurter Haarberg aufgenommen. Doch dank therapeutischer Maßnahmen hat sich sein gesundheitlicher Zustand verbessert. Der 32jährige arbeitet inzwischen in der Malergruppe der Werkstatt für psychisch Behinderte. Die Werkstatt befindet sich ebenfalls auf dem Haarberg und ist wie das Heim in Trägerschaft des Erfurter Christophoruswerkes. Wie zwei seiner Kollegen von der Malergruppe möchte Torsten F. hinsichtlich seiner Erkrankung künftig ambulant betreut werden. "Ich denke, wenn man weitgehend selbständig lebt, fühlt man sich besser", sagt F.. Zudem könnte er bei einem Leben in der eigenen Wohnung auch über seine finanziellen Mittel eigenständiger verfügen. Ähnliche Wünsche hat Michael K. Der 20jährige hat in Erfurt eine Freundin gefunden. Und hofft mit ihr gemeinsam weitere Freunde und Bekannte kennenzulernen. Doch gemeinsame Disko- oder Kinobesuche sind schwierig: Die Verkehrsanbindung des Behindertenheimes an die Erfurter Innenstadt ist abends schlecht

Thomas Gurski, der als Bereichsleiter für die sozialpsychia-trischen Angebote des Erfurter Christophoruswerkes verantwortlich ist, unterstützt solche Anliegen der Heimbewohner. Und gerät beim Thema "Betreutes Wohnen" in Rage: "Ein großer Teil seelisch Behinderter kann mit relativ geringem Betreuungsaufwand und einem ausgebauten Kriseninterventionsnetz in eigenen Wohnungen leben", sagt er. Dies sei für die Betroffenen besser. Zugleich könnten erhebliche Kosten für die Unterbringung in Heimen gespart werden. "Doch die Entwicklung geht in Thüringen eher in die entgegengesetzte Richtung", so Gurski. "Es werden zunehmend Heime gebaut, denn Heimplätze müssen nach Bundessozialhilfegesetz als Pflichtleistungen finanziert werden. Der vom Land bereitgestellte Etat für betreutes Wohnen hingegen wird zunehmend gekürzt." Dabei sei im Thüringer Landespsychiatrieplan die Entwicklung einer gemeindenahen Psychiatrie mit dem Schwerpunkt "ambulant vor stationär" festgeschrieben worden

Wie Torsten F. und Michael K. arbeiten weitere 46 Frauen und Männern in der Werkstatt für seelisch Behinderte am Haarberg. Die meisten von ihnen haben Berufsausbildung und Familie. 24 von ihnen leben im Heim, die übrigen 24 kommen täglich aus Erfurt und der Region in die Werkstatt des Christophoruswerkes. Im Heim werden die Frauen und Männer wieder mit den alltäglichen Lebensaufgaben vertraut gemacht. Viele von ihnen mußten vorher eine längere Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen und müssen nun wieder lernen, sich selbst zu versorgen. Neben Alltagsaufgaben wie Waschen, Einkaufen, Kochen bleibt aber auch Zeit für gemeinsame Freizeitunternehmungen wie Schwimmen, Reiten. Regelmäßig gibt es auch musiktherapeutische Angebote

In der Werkstatt reicht Das Spektrum der Arbeiten vom industriellen Nähen über einfache Montagearbeiten bis zum Recycling von Elektroanlagen und -geräten. "Leider müssen wir bisher teilweise auf sehr engem Raum arbeiten", sagt Werkstattleiter Thomas Kroll. Das werde sich aber hoffentlich mal ändern, zumal der Haarberg aufgrund ungeklärter Eigentumsverhältnisse nur eine Übergangslösung sein könne. Für zwölf seelisch behinderte Mitarbeiter im Arbeitsbereich steht laut Personalschlüssel ein Gruppenleiter zur Verfügung. "Da bleibt oft nicht genug Zeit, sich mit den Problemen unserer behinderten Beschäftigten intensiv zu befassen", sagt Kroll. Nötig wäre für das gesamte Christophoruswerk zudem auch ein Psychologe, und zwar sowohl für die Behinderten als auch für das Personal. "Doch den können wir uns nicht leisten", so der Werkstattleiter

Die Anfänge des Christophoruswerkes gehen in das Jahr 1968 zurück. Damals wurde unter dem Dach von Diakonie und Caritas die Christophorus-Tagesstätte gegründet, in der geistig behinderte Kinder ein Domizil fanden. Nach der Wende ging es in Erfurt seitens der Kommune um die Frage, wer sich um die geistig und psychisch Behinderten kümmern würde, die zum Beispiel auch in einem Feierabend- und Pflegeheim in Erfurt-Bischleben untergebracht waren. Das Christopheruswerk wurde 1991 gegründet, Bischleben kam am 1. Januar 1992 hinzu. "Menschen mit verschiedensten Behinderungen in Erfurt und Umfeld brauchten ein tagesstrukturiertes und ein Wohnangebot. Das Christophoruswerk hat darauf reagiert", sagt Thomas Gurski. Träger des Werkes sind neben der Caritas zu je einem Drittel der Evangelische Kirchenkreis Erfurt und das Hessische Diakoniezentrum Hephata

Da die psychisch behinderten Mitarbeiter der Werkstatt von Tag zu Tag in gesundheitlich recht unterschiedlicher Verfassung sind, muß dies bei der Übernahme von Arbeitsaufträgen für die Industrie mit berücksichtigt werden. Um die teilweise riesigen Aufträge an Werkzeugtaschen, Euroklappkästen, Strandsitzen ... bewältigen zu können, arbeitet die Werkstatt mit anderen Werkstätten eng zusammen. Das vielseitige Angebot an Arbeiten ist für die Behinderten eine gute Hilfe, wenn sie sich nach krisenbedingtem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik wieder an den normalen Arbeits- und Lebensrhythmus gewöhnen müssen

Um in die Werkstatt aufgenommen zu werden, bedarf es einiger Wege durch die Instanzen, sagt Werkstattleiter Kroll. Drei bis vier Mal im Jahr tagen die verschiedenen Kostenträger und die Werkstattvertreter, um über die Aufnahme von neuen Mitarbeitern zu entscheiden. Wer aufgenommen wird, durchläuft zunächst drei bis sechs Monate den Trainingsbereich und wechselt dann in den Arbeitsbereich der Werkstatt. "Danach steht eigentlich die Frage der Reintegration in den normalen Arbeitsmarkt", sagt Kroll. Allerdings gelingt das nach einer bundesweiten Umfrage nur einem Prozent. Die meisten verbleiben in einer Werkstatt für seelisch Behinderte und versuchen hier, sich durch gute Arbeit noch ein paar Mark zu ihrer Rente/ Sozialhilfe oder - wenn sie im Heim leben - zu ihrem Taschengeld hinzuzuverdienen

Herzstück der sozialpsychiatrischen Angebote des Christophoruswerkes ist die psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle in der Erfurter Innenstadt in der Michaelisstraße 14, wo alle Hilfesuchenden hinkommen können. Für psychisch behinderte Menschen gibt es neben Wohnheim und Werkstatt auf dem Haarberg die Tagesstätte "Regenbogen" sowie eine Einrichtung für Betreutes Wohnen. Für geistig Behinderte bietet das Christopheruswerkes Arbeitsmöglichkeiten in einer Werkstatt mit 160 Plätzen. Behinderte wohnen in einem Heim in Bischleben, in einer zusätzlichen Außenwohngruppe sowie in privaten Wohnungen im Rahmen betreuten Wohnens. Außerdem unterhält das Erfurter Christophoruswerk eine Förderschule für geistig behinderte Menschen. Am 1. Januar 1998 wird das Christophoruswerk ein Kinder- und Jugendheim übernehmen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.12.1997

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