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Bistum Erfurt

Mehr als ein Pannendienst

Festakt zum 100jährigen der Caritas in Erfurt

Erfurt (ep) - Als das "Gegenwartsübel schlechthin" hat Diözesan-Caritasdirektor Bruno Heller "die zunehmende Massenarbeitslosigkeit und das Schicksal der von ihr betroffenen Einzelpersonen und Familien" bezeichnet. Die wachsende "Armut wird immer mehr zu einer Anfrage an die Gerechtigkeit und das soziale Gewissen der Gesellschaft insgesamt", sagte Heller anläßlich einer Festveranstaltung, mit der am 26. Oktober in Erfurt an das 100jährige Bestehen des Deutschen Caritasverbandes (DCV) erinnert wurde. Zu dem Festakt unter dem Leitwort "Caritas: Not sehen und handeln" und einem Gottesdienst waren rund 70 Gäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft ins Katholische Waisenhaus gekommen

Als weitere "Grundübel" bezeichnete Heller "die offene und versteckte Gewalt gegen Behinderte, wachsende Gewaltbereitschaft überhaupt, zunehmende Entsolidarisierung sowie eine stetig größer werdende Kluft zwischen Armen und Reichen in der Gesellschaft". Zudem befürchtet der Diözesanchef der Caritas, daß "der Umbau des Sozialstaates zunehmend zum Abbau sozialer Leistungen für Bedürftige führen" werde. Um künftig wirksam helfen zu können, verlangte der Direktor ein Mitspracherecht der Caritas und der anderen Wohlfahrtsverbände bei sozialpolitischen Entscheidungen: "Wir möchten Mitgestalter der Sozialpolitik sein und nicht nur der Pannendienst der Gesellschaft!

Zuvor hatte Bruno Heller die vielfältigen Bereiche Revue passieren lassen, in denen heute - 100 Jahre nach Gründung des DCV - insgesamt 3949 haupt- und eine große Zahl ehrenamtlicher Mitarbeiter des Caritasververbandes im Bistum Erfurt Menschen in unterschiedlichsten Notlagen helfen. So unterhält die Caritas für das Bistum Erfurt zum Beispiel sechs Krankenhäuser, 72 Kindertagesstätten und 27 Alten- und Pflegeheime. Seit der Wende sind sechs Sozialstationen entstanden. Angeboten werden auch Schwangerschaftsberatung, Alkohl- und Suchtberatung, Schuldnerberatung... Heller äußerte sich besorgt, ob und in welchem Umfang gerade auch erst nach der Wende übernommene neue Dienste und Aufgaben künftig finanziert werden können

Eigene Erlebnisse mit der Caritas in den letzten 50 Jahren schilderte auf heitere Art Rektor Paul Julius Kockelmann vom Familienzentrum Kerbscher Berg in Dingelstädt in seinem Festvortrag zum Thema "Caritas als Anwalt der Schwachen und Benachteiligten". Zugleich gab er einen geschichtlichen Rückblick auf die Gründung des DCV vor 100 Jahren durch den Priester Lorenz Werthmann und seine Mitarbeiter. Anhand einer in den Gründerjahren entstandenen "Gewissenserforschung" für die Caritasarbeit stellte Paul Julius Kockelmann Fragen zusammen, die für die Arbeit des Wohlfahrtsverbandes auch heute relevant sind. Hier einige Beispiele: Welche Bereiche caritativen Engagements sollte man dem Staat überlassen? Schwangerenberatung? Beratung überhaupt? Krankenhäuser? Asylbewerberheime? Warum agieren die großen kirchlichen Hilfswerke nicht ökumenisch? Wie steht es um das Verhältnis zwischen örtlichen Initiativen und großen Hilfswerken? Kockelmann: "Örtliche Hilfe bewirkt Identifikation, die zentralen Hilfswerke können bedeutendere Probleme angehen." Wird genügend Kraft auf das Training von Ehrenamtlichen verwendet? "Das wird sicher eine ganz wichtige Aufgabe sein und bleiben", so Kockelmann

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.12.1997

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