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Das Heilige gehört ins Leben

Eine Krippe als gutes Zeichen

Der Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher erlebte bei einem Besuch in einer Tiroler Bauernstube eine erheiternde Szene:
Der Bauer hatte seine Weihnachtskrippe ausgerechnet an dem Platz aufgestellt, den seine Hauskatze am liebsten einnahm. Das Tier ließ sich seinen Schlafplatz nicht streitig machen und räumte kurzerhand die Krippe weg. Darüber werden die himmlischen Heerscharen wohl kaum entsetzt gewesen sein, aber dem Bauern war es natürlich angesichts des Bischofs ob dieser Szene etwas unangenehm.
Es dürfte etwas ganz anderes sein, wenn Menschen solche Heiligendarstellungen verschwinden lassen. Wir hatten das vor kurzem, die Vokabeln Engel"; und Christkind"; sollten lieber verschwinden. Maria und Joseph hatten bei den Weihnachtspyramiden den Rückzug anzutreten. Die Bergleute, als würdige Vertreter der Arbeiterklasse, nahmen deren Platz ein. Auch auf diese Weise hat sich ein System lächerlich gemacht. Aber hinter all dem steht etwas, das auch den Menschen demokratischer Zeiten zur Versuchung werden kann: Das Heilige darf uns nicht zu sehr auf den Leib rücken. Es ist zu anspruchsvoll.
Auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt hat man eine wunderschöne große Krippe aus Oberammergau aufgestellt. Ich beobachtete, wie die Besucher dieses Weihnachtsmarktes, die sich sonst sehr nahe an die Verkaufsstände heranmachten, an dieser Stelle einen scheuen Abstand einhielten. Vielleicht ein sehr gutes Zeichen, diese Krippe. Obwohl ganz volkstümlich geschnitzt, drückt sie mehr aus als irgendein käufliches Massenprodukt. Auch volkstümliche Kunst kann die Seele tief berühren. Wenn mich der Eindruck nicht getäuscht hat, gingen manche nach einem scheuen Blick zur Krippendarstellung schnell weiter. Dieses Bild trat offensichtlich manchen zu nahe. So mitten im Kaufspaß plötzlich und unerwartet Heiliges, das dürfte für den einen oder anderen eine Provokation sein. Ob sich der eine oder andere wünschen würde, daß so etwas bald wieder verschwände?
Auch für einen sogenannten guten Christen kann es wünschenswert erscheinen, das Religiöse lieber nur dort anzutreffen, wo man unbeobachtet von anderen, ganz für sich, eine Beziehung dazu aufnehmen kann. Das aber ist dem Christentum eigentlich fremd. Christlich-religiöse Bezüge gehören mitten ins Leben, nicht aus dem Blickfeld des Alltags gerückt. Das Kreuz in der Schule, die Krippe auf dem Weihnachtsmarkt sagen unmißverständlich, Christsein gehört in jede Stunde und an jeden Ort.
Bischof Joachim Reinelt

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.12.1997

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