Eine deutsche "Mutter Teresa"
Vor 100 Jahren starb Katharina Kasper
Als Krankenschwestern und Erzieherinnen wirken die "Armen Dienstmägde Jesu Christi" seit 1993 wieder in dem Gebiet der Niederlausitz. Gegründet wurde die Ordensgemeinschaft jedoch schon vor über 150 Jahren. Den Anstoß gab Maria Katharina Kasper, deren Todestag sich am 2. Februar zum 100. Mal jährt. Ein Porträt von Prälat Bernd Richter
In der kleinen Schwesternniederlassung in Neuzelle werden am 2. Februar drei "Arme Dienstmägde Jesu Christi" den 100. Todestag ihrer Ordensgründerin Katharina Kasper feiern
Als diese am 26. Mai 1820 in dem kleinen Ort Dernbach nahe der reizvollen Kleinstadt Monterbauer geboren wurde, herrschte im Westerwald große Not: Die Bewohner ganzer Dörfer wanderten nach Amerika aus. Dernbach lag in einer äußerst strukturschwachen Gegend, in der selbst die Landwirtschaft die Menschen kaum ernähren konnte. Alte, Behinderte, chronisch Kranke und Kinder litten am stärksten an der sozialen und wirtschaftlichen Not des 19. Jahrhunderts
Katharina Kasper selbst wächst in einem Haus auf, das nach dem frühen Tod des Vaters versteigert werden muß. Nach dem Besuch der Volksschule muß sie als ältestes Kind hart für den Lebensunterhalt der Familie mitarbeiten. Dennoch verliert sie nicht ihre Unbekümmertheit und Lebensfreude. Über diese Zeit äußert sie sich später so: "Ich empfand, wenn ich zuweilen allein aufs Feld ging, eine fühlbare Gegenwart Gottes, der in mir sprach, daß ich vor Glück sang, und dann arbeitete ich fleißig und so leicht wie zwei." Das einfache Mädchen aus dem Westerwald macht in ihrer inneren Aufgeschlossenheit religiöse Erfahrungen: "Gott wirkte in meinem Inneren, ohne daß ich ihn erkannte. Er sprach zu mir, belehrte mich, und ich meinte, das wäre bei allen Leuten so.
In dieser Zeit sozialer und religiöser Not konzentriert sich die 24jährige Katharina Kasper ganz auf ihren Glauben. Neben ihrem eigenen harten Kampf um das tägliche Brot besucht sie so oft wie möglich Menschen in Not. Sie geht zu dem Armen und Kranken. Außerdem sammelt sie Kinder um sich, um mit ihnen zu singen und zu beten. Viele Menschen schütteln verwundert den Kopf, aber es finden sich auch Weggefährten, die sich ihr anschließen
Die Tagelöhnerin im Westerwald hat noch nie eine Ordensfrau gesehen und erlebt, denn nach der Säkularisation waren sämtliche Ordensniederlassungen in diesem Gebiet aufgelöst worden. Auch geistliche Beratung findet Katharina kaum: In Dernbach gibt es keinen Pfarrer. Das hindert die fromme Frau und ihre Gefährtinnen aber nicht daran, ihrer Leidenschaft nachzugehen und so oft wie möglich Menschen in Not zu besuchen
Obwohl sie kein Geld besitzt, baut sie 1844 ein "Häuschen" um Menschen darin aufzunehmen und zusammen mit ihren Gefährtinnen zu pflegen. Sie hat die Unterstützung der Bewohner von Dernbach gefunden. Es war die Geburtsstunde der "Armen Dienstmägde Jesu Christi" oder - wie es bald im Volksmund heißt - der Dernbacher Schwestern
Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zählte dieser Orden über 341 Niederlassungen mit 4336 Schwestern in Europa und Nordamerika. Im Bistum Limburg gab es zu dieser Zeit 119 Filialen. Heute wirken in Deutschland und im Ausland (Niederlande, Großbritannien, Indien, USA und Lateinamerika) rund 1000 "Dernbacher Schwestern"
Gruppen von vier bis sechs Schwestern leben meist gemeinsam in einer Niederlassung, um Arme und Kranke zu besuchen sowie Handarbeitsschulen und Kindergärten, Altenheime, Waisenhäuser und Behinderteneinrichtungen zu betreiben - das bedeutet unmittelbare Not lindern, aber auch Erziehung und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten
In das Gebiet des heutigen Bistums Görlitz kamen die Armen Dienstmägde Jesu Christi bereits zu Lebzeiten von Katharina Kasper: Am 4. Oktober 1869 nach Forst und am Neujahrstag im Jahre 1860 nach Cottbus, um hier in der ambulanten Krankenpflege und in der Betreuung der Kleinkinder tätig zu werden
Das Wirken in diesen beiden Niederlassungen fand dann durch den Bau der Berliner Mauer ein jähes Ende. Darum war die Freude groß, als nach der Wiedervereinigung durch Verhandlungen zwischen dem damaligen Görlitzer Bischof Bernhard Huhn und der Ordensleitung in Dernbach im Mai 1993 von dort die Mitteilung über die Errichtung einer kleinen Niederlassung derDernbacher Schwestern in Neuzelle kam
Seit September 1993 wirken drei Arme Dienstmägde Jesu Christi - ausgebildet im Verwaltungsbereich - als Krankenschwester oder als Erzieherin in den Gemeinden Neuzelle, Eisenhüttenstadt, Beeskow und Guben im pastoralen und sozialen Dienst. Bischof Huhn und mit ihm viele andere betrachten diese kleine Niederlassung von Ordensschwestern "als Oase in der Wüste unserer säkularisierten Welt"
Katharina Kasper wurde vor 20 Jahren - 80 Jahre nach ihrem Tod - durch Papst Paul VI. seliggesprochen. Viele Menschen halten diese Frau heute für eine deutsche "Mutter Teresa"
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.01.1998