Recht auf Selbstbestimmung des Patienten wird betont
Richtlinien zur Sterbebegleitung
Der Tag des Herrn sprach mit dem Erfurter Moraltheologen Josef Römelt über die neuen Richtlinien zur ärztlichen Sterbebegleitung (siehe nebenstehenden Bericht): Frage: Wie bewerten Sie den Versuch einer Nachbesserung der Richtlinien zur ärztlichen Sterbebegleitung? Römelt: Es ist zu begrüßen, daß die Ärzteschaft auf die Probleme der Sterbehilfe in der modernen Gesellschaft reagiert. Moderne medizinische Technik ist die Ursache, daß das sachgerechte Abwägen zwischen lebenserhaltender Maßnahme, Abbruch der Therapie, Therapieverzicht und Schmerzlinderung sehr wichtig geworden ist, damit medizinische Betreuung bei schwerer Krankheit und im Sterben menschlich bleibt. Frage: Was unterscheidet den neuen Entwurf? Römelt: Es fällt auf, daß in viel größerem Maße das Recht auf Selbstbestimmung der Patienten betont wird. Daraus spricht die Erfahrung, daß ab einem bestimmten Punkt in der modernen Therapie nicht mehr nur die Möglichkeiten einer Apparatemedizin und die bloße Sachkompetenz des Arztes ausschlaggebend sein können, wenn sie doch nur noch einer geringen Verlängerung des Lebens dienen. Der Dienst am mutmaßlichen Willen des Patienten wird der Garantenpflicht des Arztes - die wie immer schon im Sinne einer umfassenden Fürsorge gedeutet wird - an die Seite gestellt. So werden Fragen des Behandlungsverzichts bei schwerster Krankheit, im unumkehrbaren Sterbeprozeß, bei lang anhaltendem Wachkoma und schweren Mißbildungen bei Neugeborenen differenziert beurteilt. Frage: Was begrüßen Sie am Entwurf und was ist verbesserungswürdig? Römelt: Ich begrüße entschieden, daß der Entwurf an der Ablehnung aktiver Euthanasie durch den Arzt festhält und daß er sich auch gegen bloße Erwägungen der Wirtschaftlichkeit abgrenzt. Stellenweise bleibt der Text unscharf: Die Formulierungen in bezug auf den Behandlungsabbruch bei Apallikern scheinen vorauszusetzen, daß der Zustand des Patienten nach menschlichem Ermessen tatsächlich aussichtslos ist und der Patient eventuell unter Schwierigkeiten leidet, die nicht mehr weiter behandelt werden. Die Abgrenzung des Rechts auf Selbstbestimmung im Sterben gegenüber einem heute manchmal geforderten Recht auf Suizid"; und gegenüber bloßer Mutlosigkeit des Patienten oder gar Depression bei schwerer Krankheit müßte in die Erklärung aufgenommen werden. Frage: Vor welchem ethischen Hintergrund muß für einen Arzt die Abwägung zwischen Bewahrung des Lebens und realistischer Annahme der Grenzen des Lebens erfolgen? Römelt: Aus christlicher Perspektive kann die sensible Abwägung zwischen Bewahrung des Lebens und realistischer Annahme seiner Grenzen, die in der Stellungnahme für das ärztliche Handeln vorausgesetzt wird, nur auf dem Hintergrund von Sinnentscheidungen gelingen, in denen die Achtung vor der unantastbaren Würde des menschlichen Lebens und die reife Annahme seiner Endlichkeit miteinander verbunden sind. Solche Sinnentscheidungen sind nach christlichem Verständnis Bedingungen für die menschliche Umsetzung juristischer und standesrechtlicher Festlegungen zur Sterbebegleitung. Fragen: Carsten Kießwetter
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.01.1998