Jahresempfang des Bistums
Deutschland braucht Ethik-Debatte
Erfurt (ste) - Das Bild sprach für sich: Zwölf Vertreter des Bistums Erfurt saßen nur wenig mehr Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen gegenüber - möglicher Ausdruck der Bedeutung, die die Kirche den Medien in der heutigen Gesellschaft zumisst. Bischof Joachim Wanke hatte am 6. Januar zum Jahresempfang für Journalisten geladen, die sich mit Berichterstattung über kirchliche Themen befassen.
Die kirchliche Seite stellte den Medienvertretern Themen vor, die zurzeit besonders unter den Nägeln brennen. Bischof Wanke lud ein, den bischöflichen Hilfsfonds für Schwangere und Familien in Not "ProVita" zu unterstützen. Finanzielle Hilfe soll durch eine Stiftung unabhängig von der Finanzsituation des Bistums werden, erklärte Generalvikar Georg Jelich.
Angesichts von Gentechnik und Euthanasie-Diskussion sei das Ringen um die Schwangerenkonfliktberatung nur ein Vorgeplänkel kommender Auseinandersetzung gewesen, erklärte Bischof Wanke. Der Wert menschlichen Lebens dürfe nicht durch die Gesellschaft festgelegt werden. Daran müssten Kirche und Gesellschaft festhalten, forderte Wanke auf. "Ich denke mit Schrecken an die Möglichkeit, dass sich Meinungstrends durchsetzen könnten, die bestimmte andere Menschen - ob vor oder nach der Geburt, ob als Kranke oder alt Gewordene - eben nicht akzeptieren und dafür ,Entsorgungslösungen' anfordern", erklärte der Bischof und schloss an: "Ich wünschte mir, dass in Deutschland die ethische Deutlichkeit, auch in der öffentlichen Diskussion, zunehmen möge!"
Allein 19 198 Katholiken im Bistum Erfurt engagieren sich freiwillig innerhalb der Kirche, lautete das Ergebnis einer Erhebung, die der Bischof vorstellte. Sie tun dies in einer breiten Palette von 51 Ehrenämtern, von der Kirchenreinigung über Besuchsdienste bis zur Mitarbeit in Gremien. Bischof Wanke stellte dazu fest: Gemeinden und kirchliche Verbände seien "ein Nährboden für das Ehrenamt". Er forderte Gemeinden und Verbände auf, ehrenamtliches Engagement weiter zu ermöglichen. Wanke: "Das ist allein schon deshalb notwendig, weil die heranwachsende Generation Räume für soziale Erfahrungen und soziales Lernen braucht." In einer Gesellschaft, in der sich der Selbstwert über Materielles, Status und Fixierung auf die Erwerbstätigkeit definiere, müssten solche Räume eröffnet werden. Erfahrungsberichte aus der Verbandsarbeit, Jugendarbeit und dem Freiwilligenzentrum Saalfeld zeigten, wie das Ehrenamt gefördert werden kann: An freiwilliger Tätigkeit Interessierte bräuchten kontinuierliche Anlaufstellen. Je konkreter Aufgaben sind, um so eher finde sich jemand. Ehrenamtliche müssten durch Hauptamtliche begleitet und qualifiziert werden. Schaden würde dem Ehrenamt, wer versuche, durch Einsatz von Ehrenamtlichen Kosten zu senken und hauptamtliche Stellen einzusparen, warnte Caritasdirektor Bruno Heller.
Im Rückblick auf zehn Jahre Wende wandte sich Bischof Wanke an die Journalisten: "Ich bitte Sie, mit Ihren Möglichkeiten zu helfen, dass die 1989/90 errungene Freiheit nicht zum Vorwand wird für Gleichgültigkeit und Desinteresse am Wohl der ganzen Gesellschaft."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.02.2001