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Bistum Dresden-Meißen

Mitmachen anstatt nur zu reden

Pfarrgemeinde Leipzig-Schönefeld stellt Obdachlosenunterkünfte

Leipzig (jak) - Für eine ganze Woche öffnete die katholische Pfarrgemeinde Leipzig-Schönefeld im Januar ihre Tore für Obdachlose. Sie folgte damit einer Initiative der Stadt Leipzig, die gezielt Kirchgemeinden ansprach mit der Bitte, für einen Zeitraum zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten. Pfarrer Klaus Orland, seit 1996 in Leipzig-Schönefeld, beschreibt die Motivation seiner Gemeinde so: "Wir wollten nicht nur über die sozialen Probleme reden, sondern uns bewußt als Christen der Sache auch stellen. Zugleich war es auch ein Versuch, die Berührungsängste gegenüber obdachlosen Menschen abzubauen.

40 Schönefelder Frauen und Männer waren spontan bereit, Betreuungsdienste zu übernehmen. Begonnen wurde gegen 21 Uhr, "Feierabend" war dann am nächsten Morgen gegen halb acht. Dazu kam ein Ehepaar, das am Morgen den Reinigungsdienst übernahm

Wolfgang Geffe, Sachgebietsleiter Notunterkünfte bei der städtischen Abteilung Wohnhilfen, zeigte sich vom Engagement der Kirchgemeinden beeindruckt. "Unser Anliegen erhielt eine erfreuliche Resonanz. Und erstaunlicherweise haben sich mehr Leute zum Helfen bereit erklärt, als wir oder die Pfarrer anfangs dachten", sagt er. Das Leipziger Projekt begann am 15. Dezember und werde bis Mitte März fortgeführt. Es war das erste Mal, daß in Leipzig Kirchen von städtischer Seite um Notunterkünfte gebeten wurden. Doch gute Erfahrungen aus Dresden machten den Verantwortlichen Mut, es in der Messestadt zu versuchen. Wolfgang Geffe erklärt den besonderen Hintergrund für die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Unterkunft: "Es gibt einen Personenkreis der aus den verschiedensten Gründen einfach eine Scheu vor Gemeinschaftsquartieren hat, darauf wollten wir gezielt reagieren und eine Alternative schaffen." Daher kommt es, daß allabendlich der Personenkreis für die kirchliche Unterkunft neu ausgewählt werde. Es sollten eben nicht die Starken sein, die sich mittels Ellenbogen täglich in das Kirchenquartier drängen, sondern diejenigen, die beispielsweise schwach sind oder Angst haben, berichtet Wolfgang Geffe. Treffpunkt ist der ökumenische Obdachlosentreff "Oase" in der Leipziger City. Von dort aus werden die rund zehn Obdachlosen in die jeweilige Gemeinde gefahren

Schon jetzt würden in Leipzig Überlegungen laufen, ob man im nächsten Winter wiederum die Kirchgemeinden anfragen soll. Zuerst werde es aber nach dem Projektabschluß einen Auswertungstag geben. Wolfgang Geffe könne sich auch vorstellen, beim nächsten Mal mit Studenten des Fachbereichs Sozialarbeit einer Leipziger Fachhochschule zusammenzuarbeiten

Die Gemeinde Leipzig-Schönefeld war die einzige katholische Pfarrei der Messestadt, die sich an der Aktion beteiligte. Einer der immer mit dabei war, ist Dr. Karl Zwiener. Er zieht das Fazit: "Für die Gemeinde war es wichtig, einmal in direkten Kontakt mit obdachlosen Menschen zu treten. Diejenigen, die mitmachten, haben gemerkt, daß es Menschen mit Schicksalen sind, die sie so nicht kennen." Andererseits, so Karl Zwiener, habe man auch die Erfahrung gemacht, daß der eine oder andere sein Lebensbrett eher an der dünnsten Stelle bohrt. Doch dies dürfe nicht verallgemeinert werden. Und wer sich um diese Menschen sorgt, dürfe keine Musterknaben erwarten. "Man muß sich darauf einstellen und gegebenenfalls an der richtigen Stelle eingreifen." Denn selbst wenn die zehn in kirchlichen Räumen untergebrachten Gäste zu den Schwächsten gehören, so gebe es doch auch unter ihnen Gruppenbildungen und Reibereien

Karl Zwiener sorgte sich in der Schönefelder Woche jeden Abend und jeden Morgen um die Koordination der Unterbringung der Schlafgäste. Und wenn am Morgen Obdachlose und ehrenamtliche Betreuer das Haus verließen, half er bei den Aufräumungsarbeiten mit. Für ihn und die anderen Gemeindemitglieder war das Engagement eine Gelegenheit, den am Rande stehenden Menschen eine Zeitlang in einer für sie günstigen Umgebung beizustehen. Und Karl Zwiener könnte es sich gut vorstellen, es im nächsten Winter erneut zu versuchen. Die Anfrage zur Mitarbeit wird sicher wieder an die christlichen Kirch

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.02.1998

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