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Eine geheime Brücke zum Konzil

Wurzel einer deutsch-tschechischen Freundschaft

Ich habe wirklich nichts Besonderes getan", beteuert der Tröglitzer Pfarrer Franz Kapaun. Seit vergangenem Spätsommer ist er Ehrenkanoniker des Kollegiatkapitels im tschechischen Litomysl / Leitomischl. Diese Auszeichnung hat den sudetendeutschen Priester sehr gefreut, aber auch überrascht. Seit den 60er Jahren hielt er intensive Kontakte zur katholischen Kirche in der Tschechoslowakei: "Ich kenne eine Reihe von Priestern, die sich zu DDR-Zeiten in ähnlicher Weise engagiert haben. Das einzige, was ich wohl den meisten voraushatte, waren meine Sprachkenntnisse: Tschechisch ist meine zweite Muttersprache.

Nicht allein die Sprachkenntnisse, sondern eine Reihe glücklicher Umstände haben dazu geführt, daß mit Franz Kapauns Hilfe der geheim geweihte tschechische Bischof Karel Otcenásek in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils Verbindung zur Weltkirche aufnehmen konnte: 1964 machte Kapaun, damals Vikar in Wittenberg, seinen ersten Besuch in der Tschechoslowakei. Bei einer Silberhochzeit in seiner Gemeinde war er von den Eltern der Silberbraut zu einem Besuch im Hultschiner Ländchen eingeladen worden - für den Priester ein willkommener Anlaß zum ersten Wiedersehen nach der Vertreibung mit seinem Geburtsort Ceska Trebova / Böhmisch Trübau. Er übernachtete dort im Hotel Moskau. Die Zimmerfrau entpuppte sich später als geheime Ordensschwester. Der Pfarrer des Ortes, den Kapaun einfach ansprach, war keiner von den Friedenspriestern, die sich mit dem Regime arrangiert hatten. Er erlaubte ihm, hinter verschlossenen Türen die Messe zu zelebrieren. Das tat er am frühen Morgen, zwei Tage hintereinander. Am dritten Morgen kniete sich ein junger Mann neben ihn und ministrierte

Für Kapaun war es die erste Begegnung mit dem Priester Vaclav John, der wie er selbst in Böhmisch Trübau geboren worden war. Eigentlich hatte er auf der Durchreise nur dem Pfarrer seiner Heimatgemeinde Guten Tag sagen wollen. Bis zum Nachmittag erzählte Vaclav John ihm die eindrucksvolle Geschichte der verfolgten tschechischen Kirche. Josef Kacálek, ein weiterer Priester, stieß am Nachmittag dazu. Wie viele andere tschechische Geistliche war er im Gefängnis gewesen. Neun Jahre lang hatte er sich im Riesengebirge versteckt gehalten. "Wir müssen unbedingt unseren Bischof besuchen", sagte John schließlich

Karel Otcenásek arbeitete in einer Molkerei, hielt sich aber gerade mit einer Grippe in seinem Elternhaus in Ceské Mezirici auf. Franz Kapaun wird die erste Begegnung mit Otcenásek nie vergessen: "Er war durchdrungen von tiefer Geistigkeit, demütig und liebenswert." Erst im Jahr zuvor war er aus elfjähriger Haft entlassen worden. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Stapel Briefe, darunter eine Einladung zum Konzil. Er hatte keinerlei Möglichkeit zum Auslandskontakt, da er ständig überwacht wurde. Franz Kapaun besuchte fortan jedes Jahr Vaclav John, brachte ihm auch regelmäßig Bücher aus dem St.-Benno-Verlag mit, die John aus dem Deutschen für Bischof Otcenásek übersetzte. Da beide den gleichen Geburtsort hatten, wurde John zum Jugendfreund erklärt. Die Behörden verweigerten daraufhin die Besuchserlaubnis nie

Eines Tages im Jahr 1965 standen Vaclav John und sein Mitbruder Ladislav Kubík überraschend bei Franz Kapaun in Wittenberg in der Tür: Bischof Otcenásek wollte Verbindung zu einem DDR-Bischof aufnehmen, der über die CSSR nach Rom zum Konzil fahren könnte. Kapaun versuchte sofort, den Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck zu erreichen, der ihm für diesen Auftrag am geeignetsten schien. Er hielt sich gerade bei Ordensschwestern im tief verschneiten Erzgebirge auf. Spät nachts trafen die drei Priester dort ein. Nachdem sie die halbe Nacht hindurch konferiert hatten, verabredeten sie ein Treffen der beiden Bischöfe im Prager Hotel Jalta am Wenzelsplatz und in einer Kirche. Vor ihrer Rückkehr mußten sie in aller Eile noch nach Weimar, um von dort eine Postkarte abzuschicken. Die kurze Besuchserlaubnis hatten sie nur bekommen, weil in Johns Kirche ein restaurierungsbedürftiges Bild des Malers Willmann hing, dessen Original sich in Weimar befand. Wie der Kontakt zwischen beiden Bischöfen weiterging, weiß Pfarrer Kapaun nicht: "Um niemanden zu gefährden, haben wir über solche Dinge damals nur das Nötigste gesprochen.

Das Zusammentreffen mit Vaclav John vergleicht er mit einem Stein, der ins Wasser geworfen wird: Seine Verbindung in die Tschechoslowakei zog immer größere Kreise. Tschechische Jugendgruppen kamen nach Wittenberg. Nachdem Kapaun 1966 Rektor des Halleschen Barbara-Krankenhauses geworden war, gab es jährliche Treffen zwischen Schwesternschülerinnen und tschechischen Jugendlichen. An den Religiösen Kinderwochen in Halle-Ost nahmen immer tschechische und slowakische Kinder teil. Da Vaclav John beim Militär einen katholischen Arzt kennengelernt hatte, der an Halles Partneruni Trnava unterrichtete, wurden alle Katholiken, die aus Trnava nach Halle kamen, zu Franz Kapaun geschickt

Der seit 1990 in Königgrätz wirkende Bischof Otcenásek nahm Kapaun nun in das wiedergegründete Kollegiatkapitel der Diözese Leitomischl auf, die nach den Hussitenkriegen erloschen und in der jüngeren Diözese Königgrätz aufgegangen war. "Wir nehmen ihn stellvertretend für alle vertriebenen Priester auf, die sich von Anfang an in den Dienst der Verständigung und Versöhnung gestellt haben", sagte Otcenásek, "und weil wir ihn gern haben und er uns gern hat", fügte er hinzu. Franz Kapaun darf nun, wenn immer er kann, an den Kapitelssitzungen teilnehmen. Seinen nächsten Besuch in Leitomischl plant er im Frühjahr. Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.02.1998

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