Vorgestellt
Annet Schleinzer, geistlich-theologische Leiterin der kfd/Magdeburg
In ihrem wachen und einladenden Blick kommt das zum Ausdruck, was sie dann auch mit Worten sagt: "Ich möchte stärken und ermutigen". Seit einem Jahr ist Annette Schleinzer Geistlich-theologische Leiterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Bistum Magdeburg.
In Vorträgen und Einzelgesprächen, bei Verbandstagungen und im alltäglichen Leben versucht sie, anderen Frauen dabei zu helfen, ihr eigenes geistliches Leben zu entfalten. Sie wünscht sich, dass Christinnen immer mehr ihre Würde als Getaufte und Gefirmte erkennen und ihre Charismen in der Kirche zur Geltung bringen.
Manche Frauen brauchten zum Beispiel einfach Bestärkung darin, im Gottesdienst die Lesung vorzutragen, in anderen schlummere die Gabe, eine Leitungsfunktion in der Gemeinde oder im Bistum zu übernehmen. Vielen falle es schwer, über ihren Glauben zu sprechen. Sie müssten lernen, für die eigene Glaubensbiografie Worte zu finden. Diese Schwierigkeit hängt nach Annette Schleinzers Ansicht auch damit zusammen, dass Frauen auf allen Ebenen der Kirchenleitung unterrepräsentiert sind und kirchliche Sprache in Folge dessen vorwiegend von männlichen Erfahrungshorizonten geprägt ist. Sie wünscht sich für die katholische Kirche neue, flexiblere Strukturen, die den Frauen mehr Raum geben, sich und ihre Spiritualität einzubringen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war es für sie, dass es zuerst im Bistum Magdeburg und später in anderen deutschen Bistümern möglich wurde, die Aufgabe der Geistlich-theologischen Leitung in der kfd mit Frauen zu besetzen.
In ihrer eigenen Glaubensbiografie spielt die Begegnung mit der Französin Madeleine Delbrel eine wichtige Rolle. Während ihres Theologiestudiums in Freiburg regte der damalige Dogmatikprofessor und heutige Kardinal Karl Lehmann sie dazu an, ihre Doktorarbeit über sie zu schreiben.
"Türen und Herzen gehen dort auf, wenn ein Gast ankommt", erzählt sie über ihre Besuche bei Madeleine Delbrels Gefährtinnen in der Pariser Trabantenstadt Ivry. "Die Frauen strahlen ein großes Interesse an Menschen aus." Der Titel ihrer 1994 veröffentlichten Arbeit über Madeleine ist wie die Essenz des Lebens, das sie in Ivry vorgefunden hat: "Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe", heißt das
Buch, das auch Lesern ohne wissenschaftliche Vorbildung den Zugang zu der 1964 verstorbenen Französin bahnt.
Annette Schleinzer bahnte die Veröffentlichung zugleich den Weg in die Freiberuflichkeit. Seither wird sie immer wieder als Referentin zu unterschiedlichsten Veranstaltungen und als Gastdozentin an Universitäten Deutschlands und der deutschsprachigen Nachbarländer eingeladen. Einige Unterrichtsstunden gibt sie zum Beispiel auch am Magdeburger Seminar für Gemeindepastoral.
An Madeleine Delbrel fasziniert sie insbesondere ihr Weg, in kleinen Gruppen inmitten der säkularen Welt geistlich und zugleich politisch engagiert zu leben. Schon in den 40er Jahren, lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, gestaltete die Konvertitin auf sehr zukunftsgerichtete Weise als Laiin die Kirche mit. Von ihrem Glaubenszeugnis fühlten sich im marxistisch geprägten Arbeitermilieu Ivrys und weit darüber hinaus viele Zeitgenossen angezogen. "Der Kommunismus wird in den 90er Jahren schon überholt sein; und Gott wird auf lautlose Art überflüssig werden", sagte sie bereits vor Jahrzehnten. Dann werde es notwendig sein, dass Christen zum Wesentlichen ihrer Berufung finden.
Obwohl Annette Schleinzer aus einer volkskirchlich katholisch geprägten Gegend im Südschwarzwald kommt, hatte sie die Frage nach der Zukunft der Kirche in Europa schon immer beschäftigt. Sie glaubt, dass kirchliches Leben künftig immer mehr über geistliche Gemeinschaften weitergetragen werden wird, seien es Klöster oder kleine Gruppen innerhalb der Gemeinde. Selbst lebt sie seit fünf Jahren in enger Gemeinschaft mit den Benediktinern auf der Huysburg, anfangs unmittelbar auf dem Klostergelände, seit Beginn des umfangreichen Klosterumbaus in einem kleinen Dorf in der Nähe.
Die von Madeleine Delbrel angekündigte Entchristlichung ist in diesem Landstrich weiter fortgeschritten als etwa in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, wo sie einige Jahre lang Frauenreferentin war. Die Frage nach der Zukunft der Kirche drängt sich für sie daher noch mehr auf.
Die Resignation mancher Katholiken angesichts schwindender Kirchenmitgliedszahlen kann Annette Schleinzer nicht teilen. "Gott ist doch schon hier bei den Menschen, und der Heilige Geist hat ein Interesse daran, dass sie ihn entdecken", sagt sie. Diese Gewissheit gibt ihr die Gelassenheit zu einem absichtslosen Glaubenszeugnis, das nicht in erster Linie darauf aus ist, Kirchenmitglieder zu werben - eine Haltung, die sie auch in der Bibel bestätigt sieht: "Suchet zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch dazugegeben". Zeugnis ihres Glaubens will sie nicht nur mit ihren geistlichen Vorträgen geben, sondern beispielsweise auch in der Art, Nachbarin zu sein und die Leute in ihrer Umgebung wahrzunehmen.
Wenn der Glaube eine Zukunft haben soll, muss er ganzheitlich gelebt werden, davon ist sie überzeugt. Spiritualität und Leiblichkeit gehören für sie eng zusammen. Seit einiger Zeit macht sie deshalb eine Ausbildung in "Rhythmus - Atem - Bewegung" (auch bekannt unter dem früheren Namen "Eutonie"), einem Übungsweg, in dem die Einheit von Leib und Seele sehr stark betont wird und mit dessen Hilfe ihr selber das Heil-Machende des christlichen Glaubens bewusster geworden ist.
Dorothee Wanzek
Annette Schleinzer: Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe. Das Lebenszeugnis von Madeleine Delbrel, Schwabenverlag, 2. Auflage 2001, 36 DM, ISBN 3-7966-0738-1.
Im kommenden Jahr wird Annette Schleinzer im Schwabenverlag eine Sammlung von Texten Madeleine Delbrels herausgeben.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.02.2001