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Bistum Erfurt

Neues Kloster an Erfurter Lutherstätte

Ökumene

Erfurt - Ihre Anwesenheit hat ökumenische Brisanz: Schwester Ruth, Schwester Roswitha, Schwester Erika und Schwester Christa leben als evangelische Ordensfrauen im Erfurter Augustinerkloster, in dem einst Martin Luther als Mönch um seinen Glaubens- und Lebensweg rang. Ihr Leitwort ist das benediktinische "Ora et labora" (Bete und arbeite), ihre Lebensart die der Evangelischen Räte Gütergemeinschaft, Ehelosigkeit und Gehorsam. Seit eineinhalb Jahren nun schon wohnen, beten und wirken die evangelischen Ordensfrauen von der Communität Casteller Ring (CCR) in Erfurt und fühlen sich inzwischen in der Stadt zu Hause

Wie so mancher katholische Orden auch hat die Communität Casteller Ring auf Bitten hin Schwestern in den Raum der neuen Bundesländer gesandt: So entstand auf Wunsch der zuständigen Kirchenleitung im Herbst 1996 in Erfurt die kleine Zelle der evangelischen Benediktinerinnen, die sich seitens der verschiedenen Konfessionen in der Stadt von Anfang an guter Akzeptanz erfreut. "Mit der Errichtung der Niederlassung haben wir den Faden des monastischen Lebens mit Stundengebet und Gottesdienst an einem Ort wieder aufgenommen", an dem Martin Luther als junger Mönch "sehr intensiv gebetet" und um seinen Weg gerungen hat, sagt die Leiterin der vier Ordensfrauen, Schwester Ruth Meili. "Weil an diesem Ort der durch die Reformation enstandene konfessionelle Riß begonnen hat, wollen wir hier in besonderer Weise die Einheit unter den Christen zu leben versuchen." Ein erster öffentlich sichtbarer Schritt in diese Richtung sollen in diesem Jahr zwei ökumenische Vespern in der Augustinerkirche werden, hofft Schwester Ruth

Durch eine Zusammenlegung von Augustiner- und Predigergemeinde ist die kleine Benediktinerinnen-Gemeinschaft seit 1. Januar vollständig für das gottesdienstliche Leben in der Augustinerkirche verantwortlich, ein Dienst, der ganz dem Anliegen und Auftrag der Communität entspricht. Zu Weihnachten hat erstmals seit langer Zeit wieder eine Christmette in der Kirche stattgefunden, und auch am Silvesterabend gab es einen Abendmahlsgottesdienst. Als Ordensschwestern sind die Frauen in besonderer Weise verpflichtet, intensiv mit dem Wort Gottes und aus der Kraft der Sakramente Beichte und Eucharistie zu leben. Jeden Sonntag findet jetzt in der Augustinerkirche eine Abendmahlsfeier statt, die von Pfarrerinnen oder Pfarrern der Region gefeiert wird, erzählt Schwester Ruth

Vier mal an jedem Tag versammeln sich die Ordensfrauen in der Augustinerkirche zum klösterlichen Stundengebet, das eng an das der katholischen Benediktiner von Münsterschwarzach angelehnt ist. Inzwischen haben die Schwestern eine kleine Schar von rund zehn Mitbeterinnen und -betern um sich gesammelt, die regelmäßig aus der Stadt dazukommen. "Denn zu viert läßt sich eigentlich kaum ein gut gesungenes benediktinisches Gotteslob anstimmen", sagt Schwester Ruth schmunzelnd

Die Benediktiner von Münsterschwarzach haben die Entstehung des evangelischen Frauenordens wesentlich mitinspiriert. 1950 im unterfränkischen Castell gegründet, hat die Gemeinschaft seit 1957 ihr geistliches Zentrum auf dem unterfränkischen Schloß Schwanberg bei Rödelsee. Dort leben heute 30 Ordensfrauen. Kleine Stationen sind auf Anfragen hin nach und nach in München, Nürnberg, Augsburg, Hildesheim und nun in Erfurt entstanden

Insgesamt zählt der Orden derzeit 42 Mitglieder. Vor allem aus den mittleren Jahren stoße immer wieder einmal eine Frau zu der Gemeinschaft, um sich zu fragen und in einer fünfjährigen Zeit bis zur Profeß zu prüfen, ob sie zur Communität paßt, sagt Schwester Ruth. Für ein oder zwei Frauen werde es künftig auch in Erfurt möglich sein, eine Zeit lang mit den Schwestern mitzuleben und -zuwohnen

Seit einem Jahr unterhalten die Erfurter Ordensfrauen in einem ehemaligen Trafohäuschen am Eingang zum Augustinerkloster eine "Klosterstube". Sie ist inzwischen zum "Umschlagplatz" für Menschen unterschiedlichsten Alters und verschiedenster Herkunft geworden, sagt Schwester Ruth. Manche kommen fast täglich und nehmen ihren "Stammplatz" in dem einladend gestalteten Raum ein, andere Treffen sich hier zu Planung und Gespräch, wieder andere machen hier ihr Klassentreffen oder schauen als Touristen herein. Die Schwestern bieten zum Selbstkostenpreis verschiedene Getränke, Kuchen und zu Mittag auch Kartoffelpuffer und Baguettes an. Für die Kloster-stube verantwortlich ist Schwester Roswitha Sagner (54). Die Ordensfrau versteht es mit ihrer schlesischen Art gut, sich der verschiedenen Menschen, die in die Klosterstube kommen, anzunehmen: "Unter ihnen sind auch solche, die innerlich frieren, weil sie arbeitslos geworden sind, und psychisch kranke Personen. Besonders für sie ist es gut, daß sie in der Klosterstube ein Stück Heimat und Menschen finden, mit denen sie reden können, sagt Schwester Roswitha. Mit ihr gemeinsam arbeitet auch Schwester Christa Pischke (62) oft in der Klosterstube. Außerdem haben sich ehrenamtlich einige Frauen gefunden, die abwechselnd mithelfen. Denn teilweise geht es ganz schön turbulent zu, wie Schwester Roswitha sagt

Andere Aufgaben nimmt Schwester Erika von Petz (63) wahr. Die Ordensfrau, die seit 1952 zur Communität gehört, ist oft unterwegs, um in unterschiedlichsten Gruppen über ihre Gemeinschaft zu informieren. Zugleich kümmert sie sich besonders um den Haushalt der Schwesterngemeinschaft. Ihre Klausur haben die Schwestern in Dachräumen des Augustinerklosters. Möglichkeit zur Begegnung mit Besuchern bietet vor allem die Klosterstube und ein Raum darüber

Schwester Ruth Meili kümmert sich um die Leitung der Gemeinschaft, was in finanzieller Hinsicht manchmal "das Vertrauen in Gottes Fürsorge hier stärker abruft als anderswo", wie sie sagt. Vor allem aber müht sich die Ordensfrau, die aus einem reformierten, sehr ökumenisch eingestellten Schweizer Pfarrhaus stammt, um das geistliche Angebot der Communität in Erfurt. Im vergangenen Herbst und in der Jahreswende haben die Schwestern erstmals zu Einkehrtagen und zu "Exerzitien im Alltag" eingeladen - mit gutem Erfolg, wie sich herausstellte, und mit ökumenischer Teilnehmerschaft

Auch 1998 soll es solche Angebote geben: Es ist möglich, mit den Schwestern Ostern, Weihnachten und den Jahreswechsel auf geistliche Weise zu verbringen. In der Fasten- und in der Adventszeit werden die Ordensfrauen wieder zu Exerzitien im Alltag einladen mit einem wöchentlichen Treffen, bei dem es Impulse für die persönliche tägliche Besinnung und das Gebet gibt. Zudem sind auch zehntägige Schweigeexerzitien geplant

Ganz selbstverständlich nehmen die Schwestern inzwischen an den Treffen der Ordensgemeinschaften der Diözese Erfurt teil und unterhalten Kontakte zu anderen katholischen und evangelischen Gemeinschaften. "Gott selber hat uns einen Raum geschaffen", sagt Schwester Ruth, ausdrücklich auf den guten Start ihrer Communität in Erfurt angesprochen. Und fügt hinzu: "Wo gebetet wird, geschieht nie nichts." Eckhard Poh

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.02.1998

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