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Bistum Magdeburg

Beistand in Katstrophen

Notfallseelsorge

Halle (dw) - "Als Krankenhauspfarrer bin ich oft mit dem Tod und mit Grenzsituationen des Lebens konfrontiert", sagt Franziskanerpater Wolfgang Schönberg, Seelsorger in den Halleschen Krankenhäusern St. Barbara und St. Elisabeth. "Abgebrüht" ist er deshalb aber ganz und gar nicht. Akute Notfälle sind auch für ihn immer wieder eine Herausforderung. Als er vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) zu den Eltern eines Mädchens gerufen wurde, das sich gerade erschossen hat, war er betroffen. "Werde ich der Situation gewachsen sein?" fragte er sich

Aber dann konnte er helfen. Er blieb bei den Eltern des Mädchens. "Meistens ist es gut, die Betroffenen reden zu lassen. Das erleichtert", glaubt Pater Wolfgang. Seine evangelische Kollegin Angelika Cyranka, Seelsorgerin in den Universitätskliniken Halle, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die beiden Seelsorger und der Rettungssanitäter Jürgen Kapp gehören mit 14 weiteren Frauen und Männern zu einem ehrenamtlichen Notfallseelsorgeteam, das am 6. Februar seine Arbeit aufgenommen hat

Helfen wollen sie nicht nur den Mitarbeitern von Rettungsdiensten, sondern auch Angehörigen von Unfall- und Katastrophenopfern und nicht zuletzt den Betroffenen selbst. Bereits 1996 veranstaltete das Seelsorgeseminar Halle zwei Projekttage für Notfallseelsorge für den Bereich der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Angehörige der Rettungsdienste und Seelsorger kamen. Hieraus entwickelte sich das Notfallseelsorgeteam in Halle. Vor Beginn des ersten Bereitschaftsdienstes gab es eine Reihe von Zusammenkünften. Vieles mußte geklärt werden, äußere und inhaltliche Fragen. Ein Oberarzt der Universitätskliniken Halle und ein Vertreter der Feuerwehr informierten über mögliche Einsatzsituationen. Ein Gespräch mit der Verkehrspolizei steht unmittelbar bevor. Das Angebot des Notfallseelsorgeteams beschränkt sich vorerst auf die Wochenenden von Freitag 20 Uhr bis Montag 8 Uhr. Jeweils ein Seelsorger hat dann, mit einem Funkmeldeempfänger ausgerüstet, Bereitschaftsdienst. Für mehr reichen die Kräfte der ausschließlich unentgeltlich arbeitenden Gruppe noch nicht

Nicht jedesmal, wenn die Rettungsleitstelle alarmiert wird, ist es notwendig, daß ein Notfallseelsorger zum Einsatzort kommt. Der Einsatzleiter entscheidet jeweils, ob er einen Seelsorger hinzuholt oder nicht. Dem Seelsorgeteam ist es wichtig, bei Rettungssanitätern und Ärzten bekannt zu sein. In der Vorbereitungszeit haben sie die Gelegenheiten genutzt, das eigene Vorhaben bei den Rettungsdiensten vorzustellen und dadurch Hemmschwellen abzubauen

Viele Rettungsdienst-Mitarbeiter haben den Plan begrüßt: Positiv hoben sie zum Beispiel hervor, daß Seelsorger die Möglichkeit hätten, längere Zeit am Ort der Geschehens zu bleiben, während sie selbst in vielen Fällen nach kurzer Zeit schon wieder zum nächsten Einsatz weiterfahren müßten. Durch eine Rettungsweste mit der Aufschrit "Notfall-Seelsorge" sollen die Seelsorger am Einsatzort kenntlich gemacht werden

Auch das Angebot, im Anschluß an ein Katastrophenerlebnis zum Gespräch bereitzustehen, wurde beim Rettungsdienst begrüßt. Es gebe Erlebnisse, mit denen man alleine nicht fertig wird, sagte zum Beispiel ein Feuerwehrmann. Für ihn selbst war so ein Fall, als Kinder in den Flammen eines brennenden Hauses umkamen

Grundsätzlich will das Team seinen Dienst auf den jeweiligen Notfall und seine Nachbereitung beschränken. Für die weiterführende Begleitung vermitteln die Seelsorger die Betroffenen an soziale Dienste oder an christliche Gemeinden weiter. Angelika Cyranka und Wolfgang Schönberg schließen Ausnahmen in Einzelfällen aber nicht aus. Schon häufiger haben beide die Erfahrung gemacht, daß bei Menschen eine intensive Bindung wächst zu demjenigen, der ihnen in einer existenziellen Krise als erster zur Seite steht. Auch Menschen, die keiner Kirche angehörten, schätzten in Grenzsituationen ihres Lebens oftmals die Hilfe, die ihnen von Seelsorgern gegeben wird. Sie wünschen sich manchmal, daß ein Seelsorger ihre Beerdigung hält

In regelmäßigen Abständen will sich das Team treffen und die eigene Arbeit gemeinsam reflektieren. Neue Mitarbeiter sind jederzeit willkommen. Sie sollten eine seelsorgliche Ausbildung haben, Erfahrungen mit Begleitung von Menschen in Krisen mitbringen und bereit sein, selbstkritisch über die eigene Arbeit nachzudenken, sich selbst beraten und helfen zu lassen

Interessenten können sich bei Pater Wolfgang Schönberg unter folgender Telefonnummer melden: 0345 / 2 13 40 75

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.02.1998

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