Mehr Präsenz an den Unis
Hochschulpastoral
Cottbus - In den Neuen Ländern ist die Zahl der klassischen Universitäten von sechs auf 24 angestiegen. Allein dieser Wandel läßt ahnen, welche weitreichenden Umbrüche sich seit 1989 vollziehen. In der DDR waren Studium und Beruf für die wenigen dazu auserwählten genau vorgezeichnet. In einer Zeit, in der mehr als 30 Prozent eines Jahrgangs an Universitäten und Hochschulen drängen, ist eine solche "Lenkung" dagegen ausgeschlossen
Studentengemeinden sehen sich aber nicht nur mit wachsendem Bedarf nach individueller Begleitung konfrontiert. Eine Herausforderung, mit der sich kürzlich die Tagung der Hochschulpastoral in der Region Ost in Cottbus beschäftigte, ist die Frage nach der Präsenz an Hochschulen in einem weitgehend entchristlichten Umfeld
"Die lange verinnerlichte Sprachlosigkeit muß langsam überwunden werden", erklärte dazu Dr. Peter-Paul Straube auf der Konferenz. Der Erziehungswissenschaftler und Theologe, der 1996 unter dem Titel "Katholische Studentengemeinden in der DDR als Ort eines außeruniversitären Studiums generale" im St. Benno-Verlag eine erste fundierte Studie zum Thema vorgelegt hat, machte aber auch deutlich: "Die 40jährige Ausgrenzung hat Spuren hinterlassen. Es gab Zeiten, da wurde der Titel Studentenpfarrer als kirchliche Anmaßung bezeichnet." Mittlerweile sei man zwar längst an die Schwarzen Bretter zurückgekehrt, konstatierte Bernhard Bock, Studentenpfarrer in Jena und Weimar, aber diese Form der Präsenz sei zu stark abhängig vom persönlichen Engagement der Hauptverantwortlichen, die oft schon mit anderen Arbeiten überlastet seien
Als Beispiel für eine gelungene Form der Arbeit an der Hochschule bezeichnete dagegen Astrid Fehrenbach den Dritten Studientag an der Humbolt-Universität Berlin. Hier sei es den beiden Studentengemeinden gelungen, vielfältige universitäre Berührungspunkte zu finden. "Die kennen uns an der Uni jetzt als engagierte und mitdenkende Leute", meinte die Bildungsreferentin der St.-Thomas-Morus-Gemeinde
Daß Engagement auf universitärem Parkett in Zeiten gesteigerter Orientierungssuche nicht beliebig zu handhaben sei, macht Willi Junkmann deutlich. Der Geschäftsführer der bundesweiten "Arbeitsgemeinschaft Katholischer Hochschulgemeinden an Fachhochschulen" verweist auf eine Analyse aus dem Buch "Quo vadis Kirche?" (St.Benno-Verlag 1997), in der Georg Kardinal Sterzinsky erklärt: "Wenn nicht alles täuscht, wird es für die Kirche immer schwieriger werden, auf gesellschaftliche und politische Vorgänge und die gesamte zivile Welt Einfluß zu nehmen." Wenn man sich als Christ für eine humanere Gesellschaft einsetze, so Junkmann, spielten die Universitäten, an denen zukünftige Entscheidungsträger ihre Prägung erhalten, eine entscheidende Rolle. Darum sei zu überlegen, ob nicht gerade in der Hochschulpastoral deutlichere Akzente gesetzt werden müßten. "Um akzeptiert zu werden und wirksam zu sein", zitiert Junkmann eine Verlautbarung der Kongregation für das Bildungswesen, müsse "die institutionelle Präsenz der Kirche in der universitären Kultur qualitativ hochstehend sein". Die Probleme stehen weiter auf der Tagesordnung. Sie werden im Herbst 1998 Thema eines bundesweiten Kongresses sein, der sich für seine Beratungen einen herausfordernden Ort ausgesucht hat: die Berliner Humbolt-Universität.
T. Brose
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.03.1998