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Bistum Görlitz

Ein kleines Stück Indien mitten in Görlitz

Herz-Jesu-Schwestern

Görlitz - Bunte Papiergirlanden und Luftschlagen in den unterschiedlichsten Farben schmückten den Gang. Die Herz-Jesu-Schwestern hatten die Faschingsfeier schon für den nächsten Tag vorbereitet. - Obwohl sie diesen Brauch aus ihrer Heimat Indien nicht kennen, wollten sie für die knapp 40 Heimbewohnerinnen des Görlitzer St. Otto-Stiftes die Tage vor Aschermittwoch faschingsfroh gestalten

Die fünf "Indischen Schwestern", wie sie von den Görlitzern liebevoll genannt werden, leben seit knapp einem Jahr in Görlitz. Im Bistum selbst leben sie seit 1991- auf Wunsch des damaligen Bischofs Bernhard Huhn. Deshalb waren die beiden Schwestern Anni und Lucie - die beiden einzigen aus der Gruppe, die von Anfang an im Bistum tätig sind - vorher schon im Altenheim in Mengelsdorf (bei Reichenbach)

"Wir gehen dahin, wo wir gebraucht werden", erklärt Schwester Anni - die Oberin der Görlitzer Herz-Jesu-Schwestern. Sie ist, wie die anderen Schwestern, die in der obersten Etage des St. Otto-Stiftes zusammen leben, gelernte Krankenschwester. "Wir können uns selbst entscheiden, in welche Richtung wir gehen wollen und machen dann diese bestimmte Ausbildung. Ich habe mich damals für die Krankenpflege entschieden und bin zur Ausbildung nach Aachen gegangen", so Sr. Anni

Tätig sind die Herz-Jesu-Schwestern in Kindergärten, Schulen, Altenheimen, Krankenhäusern oder in der Krankenpflegeim im "Dienst an dem Menschen". Dabei sind die 3500 Schwestern dieses Ordens auf Niederlassungen in Indien, Jamaika, Amerika, Österreich, Italien, Namibia und eben in Deutschland verteilt. Die meisten Frauen, die sich für den Eintritt in diesen Orden berufen fühlen, kommen aus der südindischen Provinz Kerala, dem christlichen Zentrum von Indien. "Hier ist jeder vierte ein katholischer Christ. Wogegen es in anderen Gebieten Indiens nur 2,5 Prozent Katholiken gibt", berichtet Sr. Anni über ihr Heimatland, von dem eigentlich der Buddhismus und Hinduismus als Religion der Bevölkerung bekannt ist. Die Herz-Jesu-Schwestern gehören zu den sogenannten "Thomas-Christen". Diese Bezeichnung geht auf den Apostel Thomas zurück, der im Jahr 52 das Christentum nach Indien gebracht haben soll

"Mit 15 Jahren dürfen die jungen Frauen in den Orden eintreten", sagt Sr. Anni. Sie selbst entschied sich mit 16 Jahren für die Gemeinschaft, die 1911 von Pater Matthäus in Indien gegründet wurde. Die Oberin feiert dieses Jahr ihr "silbernes Jubiläum". Das dementsprechende Alter sieht man der 45jährigen nicht an. Ihre Familie akzeptierte ihre damalige Entscheidung. Sr. Anni: "Ich bin wie die anderen Schwestern, die aus Kerala stammen, von Haus aus christlich erzogen worden." Der Eintritt in den Orden sei aber dennoch etwas Besonderes. Das merke man auch am Nachwuchs: "Jedes Jahr treten fast 100 junge indische Frauen in die Herz-Jesu-Gemeinschaft ein."

Ungewöhnlich ist die Akzeptanz für den Eintritt in den Orden, deren Schwesten fast in der ganzen Welt zu Hause sind. Denn meistens bleiben die Schwestern bis zu zehn Jahren in den verschiedenen Ländern. Dann werden sie wieder dorthin geschickt, wo sie gebraucht werden. "Wir können zwar unserer Provinzialoberin in Kerala den Wunsch mitteilen, daß wir zurück nach Indien wollen; daß wird aber nur aus gesundheitlichen Gründen gewährt", erklärt die Inderin. So bleibt den Schwestern nur die Heimfahrt aller zwei Jahre, um ihre Familie zu sehen. "Wie lange wir dann letzt-endlich fahren dürfen, beziehungsweise Urlaub bekommen, bestimmt dann unser Arbeitgeber."

Das heißt für die Schwestern, sich in dem Land, in das sie berufen werden, schnell einzuleben, damit sie sich ein wenig zu Hause fühlen. "Als ich nach Deutschland kam, haben mir sehr viele Menschen geholfen. Auch die Sprache zu lernen, fiel mir relativ leicht - vielleicht weil ich damals noch sehr jung war", erinnert sich Sr. Anni an ihre Anfangsjahre in Deutschland. Heute, so glaubt sie, sei es etwas schwieriger: "Die Menschen sind heute viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß sie sich auf andere einlassen. Dazu kommen noch Probleme wie Arbeitslosigkeit und auch Ausländerhaß." Damit habe sie selbst zwar noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber einige von ihren Mitschwestern

Im St. Otto-Stift gefällt es den fünf indischen Schwestern - die zwischen 24 und 45 Jahre alt sind - jedoch gut. "Drei von uns pflegen hier im Stift zusammen mit dem anderen Pflegepersonal die 40 alten Frauen zwischen 70 und 98 Jahren. Die anderen beiden Schwestern sind bei der Caritas in Görlitz beschäftigt." Obwohl sie getrennt arbeiten, beginnen die fünf Schwestern gemeinsam um 5.30 Uhr den Tag mit einer Andacht. Dann geht es zum Frühdienst auf die Stationen. Dort werden die Frauen gewaschen, angezogen und wenn nötig medizinisch versorgt. Um sieben Uhr holen die Schwesten die Frauen, die den Wunsch haben, zum Gottesdienst ab. "Nicht alle Heimbewohnerinnen sind katholisch. Es gibt daneben sowohl evangelische als auch konfessionslose Frauen."

Die Görlitzer Herz-Jesu-Schwestern haben sich ganz auf den hier üblichen Tagesablauf eingestimmt. Auf die Frage, ob daneben vielleicht auch ein wenig Tradition aus ihrer Heimat erhalten geblieben ist oder von den alten Leuten gewünscht wird, antwortet die 45jährige Oberin: "Morgens singen wir in der Andacht indische Lieder. Und wenn der Wunsch kommt, wird auch schon einmal indisches Essen für alle gekocht."

Katharina Funke

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 9 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.03.1998

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