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Bistum Dresden-Meißen

Einfach dasein und zuhören

Grüne Damen

Gera - Schwester Gabi vom Klinikum II. in Gera schaut die Besucherin freundlich an, dann blättert sie in der Patientenliste. "In Zimmer ... liegen drei Patientinnen, die würden sich über einen Besuch bestimmt freuen", sagt sie und führt die "Grüne Dame" Heidrun Kreuzarek in das Zimmer. Nach kurzer Vorstellung beginnt gleich das Erzählen. Frau X., um die 60; Frau Y., auch etwa 60; Frau Z., noch nicht mal 30 - alle drei sprechen über ihre Krankheiten und über Probleme, die damit zusammenhängen. Es tut ihnen sichtlich gut, daß ihnen jemand zuhört. Heidrun Kreuzarek ist eine gute Zuhörerin; sie unterbricht die Patientinnen kaum einmal. Offenbar hat sie Übung und weiß, worauf es ankommt

Seit einem halben Jahr setzt sie sich freiwillig und ehrenamtlich ein in diesem Dienst der "Ökumenischen Krankenhaus- Hilfe". Es sind zumeist Frauen, die sich für diesen Dienst der Nächstenliebe bereitgefunden hoben. Weil sie als Dienstkleidung in der Regel hellgrüne Kittel tragen, werden sie "Grüne Damen" genannt. Das klingt zwar etwas ulkig; aber so hat es sich von Anfang an eingebürgert, und es prägt sich gut ein. Es bleibt also bei diesem Namen. Höchstens, daß man auch gern "Grüne Herren" mit dabei hätte. Natürlich wären auch Helfer und Helferinnen willkommen, die sich nicht als "Damen" oder "Herren" fühlen

Die Arbeit der Grünen Damen begann vor 20 Jahren. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, daß den Schwestern im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen leider nicht immer die Zeit blieb, die sie gerne hätten, um sich den Patienten persönlich zuzuwenden. Die Grünen Damen wollen weiter nichts leisten als eine unterstützende und ergänzende Hilfestellung an diesem so wichtigen Punkt. Die meisten Kliniken sehen das gern; auch die meisten Patienten sind dafür dankbar. Auf die Frage was denn die Grünen Damen sonst machen außer Zuhören, sagt Heidrun Kreuzarek: . "Zuerst mal haben wir Zeit und das ist doch schon was! Wir haben Zeit für Gespräche, für persönliche Anliegen der Patientinnen und Patienten; Zeit für Begleitung bei kurzen Spaziergängen; Zeit fürs Vorlesen von Post oder aus einem Buch; Zeit, um nach Diktat Briefe zu schreiben; Zeit für kleine Besorgungen - und für ähnliches." Nach einer Weile fügt sie hinzu: "Wir unterliegen der Schweigepflicht über alles, was uns in den Gesprächen anvertraut wird."

Das alles erweckt den Eindruck, als seien die Grünen Damen eine Organisation. Heidrun Kreuzarek bestätigt diesen Eindruck. Die Grünen Damen sind eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKiD) mit eigenem Vorstand und selbständiger Geschäftsführung. Nach längeren Vorbereitungen wurde 1966 die organisierte Tätigkeit in Bonn angefangen

In den Neuen Bundesländern konnte 1991 in Chemnitz die erste Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Im Jahr darauf wurde hier der "Förderkreis Evangelische und Ökumenische Krankenhaus- und Altenheim-Hilfe e.V." gegründet. Die Mitarbeiterinnen kommen aus allen christlichen Kirchen; aber auch kirchlich nicht gebundene Mitarbeiterinnen sind mit dabei. Gesamtdeutsch wird der Dienst in 330 Krankenhäusern und Kliniken sowie außerdem in 220 Altenheimen getan; die Zahl der freiwilligen ehrenamtlichen Mitarbeiter beläuft sich auf mehr als 10 000. In den Neuen Bundesländern gibt es bislang 15 Gruppen mit etwa 110 Helfern. Die Gruppe in Gera besteht zur Zeit aus sechs Mitgliedern. Der Dienst der Helferinnen wird unterstützt mit einer praxisorientierten Fortbildung durch eine Psychologin. Das ist auch nötig. Denn wenn eine Helferin zweieinhalb bis drei Stunden an Krankenbetten gesessen hat, oder wenn sie - was auch mal vorkommt - von Patienten mit groben Worten sozusagen rausgeschmissen wird, ist sie dann schon mal fix und fertig und muß selbst wieder aufgebaut werden

Zur Motivierung der Grünen Damen trägt ein Ausspruch bei, der von keinem Geringeren als von Albert Schweitzer stammt: "Schafft Euch ein Nebenamt, ein unscheinbares, womöglich ein geheimes Nebenamt ... Auch auf Enttäuschungen sei gefaßt. Aber laß Dir ein Nebenamt, in dem Du Dich als Mensch an Menschen ausgibst, nicht entgehen. Es ist Dir eines bestimmt, wenn Du nur richtig willst."

H-P. Steinhäuser

Wer Näheres über die Arbeit der Grünen Damen erfahren möchte, kann sich an Inge Graf, Dornaer Straße 25, 07546 Gera; Telefon 0365-4204268 wenden

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.03.1998

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