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Bistum Dresden-Meißen

Warum die Christen in der Kirche bleiben

Wort des Bischofs

Unterwegs sein gehört zu den Aufgaben eines Bischofs. Immer wieder trifft er mit Menschen zusammen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Im folgenden Beitrag geht Bischof Joachim Reinelt der Frage nach, "Warum die Christen in der Kirche bleiben?":

Jeden Sonntag erlebe ich eine andere Gemeinde unseres Bistums. Treue Katholiken. Warum bleiben sie?

Angesichts des ständigen Beschusses der Kirche durch die Medien ist ihr Festhalten am Glauben ein Wunder. Das bewirkt der Heilige Geist. Er läßt die Gläubigen in der Tiefe spüren, daß die Gegenargumente der Glaubensgegner nicht stimmen. Die Gläubigen können diesen Instinkt meist nicht definieren, nicht umschreiben, aber irgendwie ist ihnen klar, daß der Gegner den Glauben mißversteht

Ein grundlegendes Mißverständnis ist die Meinung, Glaube sei in erster Linie Moral, Befolgen von Geboten oder gar Verboten. Dieser Irrtum hat in Deutschland seit dem Philosophen Kant Geschichte gemacht. Es geht im Christsein gar nicht zuerst um edles Verhalten. Zuerst geht es in unserem Glauben darum, daß Gott in uns und zwischen uns Raum erhält, Platz nimmt

Er, der in uns wohnt, zieht uns an. Mit dem innewohnenden Gott sind wir befaßt

Er kommt im Wort und in den Sakramenten

Er kommt zu den Sündern und Schwächlingen

Er kommt, wo die Seinen in seinem Namen beisammen sind. Das ist unser Thema. Dafür begeistern wir uns. Davon leben wir. "ln ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir."

Weil er uns mit seiner Liebe umfängt, deshalb lieben auch wir. Da ist der Ursprung unserer Moral. Also: Nicht weil wir gut sind, kommt Gott. Sondern: Weil Gott gekommen ist, macht er uns gut. Dagegen kann sich der Mensch freilich stellen. Manchmal scheint Jesus die Konsequenzen zu überziehen: Bei der Forderung der Feindesliebe liegt die Latte sehr hoch. Aber er weist darauf hin, daß "sein Joch sanft und seine Bürde leicht ist" (Mt. 11,28), weil er selbst die Bürde trägt, die wir immer nur mittragen können

Wer also in seinen Darstellungen den Eindruck erweckt, ein Christ sei zuallererst ein pingeliger Moralist, hat von der Botschaft Jesu überhaupt nichts verstanden

Wer aber weiß, daß der Herr in ihm wohnen will, und daß er längst zwischen uns wirkt, der beginnt langsam zu verstehen, worauf es im Christsein ankommt. Er wird ein neues Bewußtsein von der Nähe Gottes bekommen, deshalb immer wieder mit ihm sprechen und aus dieser Freiheit einfach lieben. Er wird so richtig Mensch

Das ist der Grund, weshalb so viele in der Kirche bleiben

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.03.1998

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