Therapeutisches Klonen (2)
Embryonen-keine Ressource für die Gesundheit
Derzeit gibt es in Deutschland eine Diskssion über die Zulassung des therapeuthischen Klonens und damit vermeintlich verbundene neue medizinische Chancen. Im zweiten Teil seines Beitrags dazu bezieht der Erfurter Moraltheologe Josef Römelt aus katholischer Sicht Position. Der Gedanke, dass menschliches Leben - in zugegebener Weise sehr frühem Stadium - für medizinische Ziele verzweckt wird, ist nicht ohne ethischen Belang.
Die Zeiten, in denen Natur- und Geisteswissenschaft in Konkurrenz zueinander verstanden wurden und einander die Kompetenz zur Beurteilung kritischer Fragen streitig machten, sind vorbei. Angesichts der Risiken und Herausforderungen, die mit der technische Entwicklung heute verbunden sind und die wichtige Entscheidungen im Blick auf die Ziele und Horizonte der Entfaltung moderner Kultur einschließen, bedarf es vielmehr einer sorgfältigen Zusammenarbeit aller Formen des Wissens und der Erarbeitung eines ehrlichen gesellschaftlichen Konsenses. Das wird auch in anderen Zusammenhängen (Klimaschutz, Umgang mit Kernenergie) sehr deutlich.
Es gibt eine genetische Eindeutigkeit der Entwicklung des Menschen auch in frühen Stadien als Mensch. Und es gibt einen Sinnzusammenhang, der zwischen dem Umgang mit menschlichem Leben in ersten Lebensstufen und der Kultur der Achtung des individuellen Menschen besteht. Theologische Ethik veranschlagt auf Grund dieser Tatsache den Lebensschutz von Anfang an sehr hoch. Es ist nicht einzusehen, warum eine solche Einschätzung irrationaler oder fundamentalistischer sein soll als die wissenschaftsgläubige eines instrumentalisierenden Forscherdrangs.
Es wäre schwer verständlich, wenn moderne Medizin bleibend auf embryonalem Leben als Ressource für heilende Medikamente basieren wollte. Da die Stammzelltherapie eine Ersatztherapie ist, müsste sie immer neu auf künstlich gezeugte Embryonen zurückgreifen, die verbraucht würden, um Stammzellen zu gewinnen. Wie werden künftige Generationen, die vermutlich elegantere Formen medizinischer Hilfe auch für heute noch kaum durchschaute Krankheiten entdecken werden, über eine solche Verschwendung menschlicher Keime urteilen? Es ist kaum befriedigend, ein solches Vorgehen als Endpunkt einer therapeutischen Forschung im Blick auf menschliche Krankheiten zu sehen.
Der Hinweis darauf, dass in Deutschland der Embryo im Reagenzglas radikaler geschützt ist als im Mutterleib, weil frühabtreibende Empfängnisverhütung und Abtreibung erlaubt seien, ähnliche Manipulationen bei künstlicher Befruchtung aber streng untersagt sind, offenbart eigentlich nur die moralische Problematik. Bei den Lebensschutzfragen im Alltag liegt immer eine Konfliktsituation vor, in der es um das Leben der Eltern mit ihren eigenen Kindern geht. Ein gesellschaftlicher Konsens, der tragische Spannungen in diesem Bereich mit äußersten (ethisch selbst problematischen) Kompromissen zu balancieren versucht - wie etwa bei der Schwangerschaftskonfliktberatung -, ist kaum geeignet, einfach vordergründig auf völlig anders gelagerte Problemfelder übertragen zu werden. Solch pauschale, schlagwortartige Beurteilung widerspricht jeder sachlichen, differenzierten Sicht. Es hat durchaus Sinn, den Lebensschutz für Embryonen bei künstlicher Befruchtung schärfer zu fassen. Hier trägt der Mensch viel bewusster Verantwortung für das Entstehen der Embryonen, die möglichen Manipulationen viel unmittelbarer ausgesetzt sind, als das im Blick auf oft hilflose Brüche im chaotischen Verhalten menschlicher Fortpflanzung im alltäglichen Leben der Fall ist.
Es ist keine ungerechtfertigte Zumutung, wenn - aus dem Anliegen einer echten "Humanökologie" heraus - versucht wird, die Suche medizinischer Wissenschaft an ethischen Erfordernissen entlang zu planen. Ethische Bedenken, embryonales Leben des Menschen zu instrumentalisieren, fordert heraus, innerhalb der möglichen Forschungsalternativen Wege zu finden, die eine solche einfach verschwendende Haltung vermeidet. So könnten zur Erarbeitung und Erprobung des möglichen Einsatzes von Stammzellen so genannte adulte Stammzellen verwendet werden. Sie könnten ohne jeden vernichtenden Eingriff in embryonales Leben bei erwachsenen Menschen selbst gewonnen werden. Mit solchen Zellen könnte zunächst einmal gelernt werden, wie Stammzellen im Organismus funktionieren, aufgenommen werden und wie ihre Wachstumspotenziale wirklich aussehen. Auch wenn adulte Stammzellen gegenüber embryonalen Stammzellen vielleicht eine weniger starke Einsatzmöglichkeit aufweisen, bieten sie für die ersten Schritte der Forschung eine echte Möglichkeit. Das zeigen entsprechende angezielte Forschungsprogramme. Aus katholischer Sicht stellt sich die Frage: Warum muss für ein viel versprechendes Forschungsprojekt die Variante gewählt werden, die die stärkste Eingriffstiefe in das menschliche Leben in seinen ersten Entwicklungsschritten einschließt? Sparsamkeit forschender Energie berücksichtigt auch die moralischen Kosten.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.02.2001