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Aus der Region

Das Fasten und die Besserung

Fastenzeit (III)

Wer fastet, der fühlt und denkt nicht nur klarer, ihm werden auch Zusammenhänge bewußt, die er im Alltag oft nicht wahrnimmt. Zum einen erlebt man eine Art größerer Verbundenheit mit der Natur. Einen Apfel zu essen beim Fastenbrechen, die ersten Mahlzeiten in der Aufbauzeit - sie sind ein Erlebnis von Schöpfung! Zum anderen wird einem die eigene Lebensgeschichte verständlicher. Verworrenes klärt sich auf.

Hildegard schildert dieses Verbundensein in einem ihrer Bilder: Der Mensch steht in der Mitte des Weltenrades. Von hier aus ist er "vernetzt" und "verästelt" mit allem in der Welt: mit Mensch und Tier, mit Belebtem und Unbelebtem, mit Vergangenheit und Zukunft. Daß er in der Mitte steht, deutet auf sein Wesen: Er verbindet in sich Himmlisches (Seele) und Irdisches (Leib). Daß er mit allem verbunden ist, weist hin auf seine Aufgabe: Er soll aus seiner Mitte diese Welt bewahren, ihre Ordnung und Harmonie erhalten und mehren. Aber der Mensch wird dieser hohen Verantwortung nicht gerecht. Er will nur für sich leben und genießen. Damit zerstört er die Ordnung dieser Welt und reißt alles mit sich ins Chaos. Die Folgen - fauliges Wasser, stinkende Luft, sterbende Wälder - sieht Hildegard schon zu ihrer Zeit sich anbahnen. Die Menschen werden nichts von Gott wissen wollen, nur das Materielle lieben, in Krieg und Haß alles zerstören.

Hildegard sieht natürlich auch den Weg der Besserung. Er führt über die Reue. So kann sie sagen: "Auf der Reue ruht die Welt". Und sie stellt klar: "Nicht den Sünder als solchen nimmt Gott an, sondern ,nur‘ den ,Reuigen‘", dem seine Verstrickung in das Böse leid tut und der um Vergebung bittet. Erst wenn der Mensch bereut, können in ihm die Kräfte des Guten wachsen. Man nennt diese guten Kräfte Tugenden: Klugheit (die rechte Einsicht), Gerechtigkeit (rechtes Handeln), Starkmut (die Kraft für das Handeln) und das Maßhalten (das rechte Maß für alles finden). Es liegt jetzt am Menschen selber, dieses Gute ganz bewußt zu wollen und seine Verantwortung für das Ganze wahrzunehmen. Dann "freut sich die ganze Schöpfung". Der Mensch wirkt nun wieder in Einheit mit sich und mit allem "in der Mitte des Weltenrades".

Der Fastende spürt durch sein Fasten viel deutlicher, wie er eigentlich verästelt ist in die Schöpfung hinein und verwoben mit seiner Vergangenheit. Dem Weltganzen zu dienen, erlebt er regelrecht als ein Vergnügen. Hierin gründet die tiefe Freude des Fastenden: Er findet zurück zur Mitte und zur Einheit mit allem. Das Wort Buße (wörtlich das Bessere) hatte ursprünglich einen angenehmen Klang: Besserung. Heute hat Buße den Sinn von Strafe! Aber auch wer nicht streng fastet, kann durch die Reue zur Umkehr finden, also Buße tun - wenn er nur will. Die vielfältigen Möglichkeiten zu verzichten, sich einzuschränken, äußerlich ein Zeichen zu setzen (ein Fasten#Opfer), stärken in ihm die Kräfte des Guten und machen ihn innerlich froh. Wer so fastet, kann Jesus verstehen, der uns zu fröhlichem Fasten anhält: "Wasche dich, ,pflege dein Make#up‘... - damit niemand merkt, daß du fastest".

Ein solch fröhliches Fasten zur Besserung wünsche ich uns in dieser Zeit

Pfarrer

Franz Scharfenberg

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 12 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.03.1998

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