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Aus der Region

Das Fasten und das rechte Maß

Fastenzeit (IV)

Hildegard sieht im Weltganzen nichts losgelöst voneinander. "Alles in der Welt hat einen Namen und ein Maß", lehrt sie. Und ihre Vorstellung, daß alles in der Schöpfung "einander antworte", gründet auf dieses rechte Maß, das einem jeden zukommt. Der Mensch jedoch (als einziger!) muß sein Maß erst suchen und finden. Er kann es auch verändern, zum Beispiel in sportlichen oder künstlerischen Leistungen. Hildegard weist immer wieder darauf hin, daß sich alles Tun des Menschen in dem großen Ordnungsgefüge Schöpfung vollzieht. Maß-voll oder maß-los zu leben bedeutet demnach, aufbauend oder zerstörend in die Gesellschaft und in die Natur hinein zu wirken. Es ist Hildegards bleibendes Verdienst, dies in ihren Bildern immer wieder gezeigt zu haben: Der Mensch ist ganz eng hinein#verflochten in das große Weltganze.

Das Wissen um das eigene Maß sieht Hildegard in der Seele verankert: "Die Seele liebt in allen Dingen das ,diskrete‘ Maß" erläutert sie. "Wann immer der Mensch ohne Diskretion ißt oder trinkt oder etwas anderes tut, werden die Kräfte der Seele verletzt, weil alles nur mit Maß ausgeführt werden soll." Dem fügt sie noch eine erstaunliche Begründung an: "...da nun einmal der Mensch nicht ständig im Himmel weilen kann". Der Himmel für Hildegard - ein Ort glückseliger Maß#Losig-keit!

Jedenfalls weiß sie um die Schwierigkeiten, die so mancher mit dem "Maß#Finden" und "Maß#Halten" hat. Sie warnt zu ihrer Zeit vor allem vor einem übermäßigem Fasten, um "keine Ruine zu bauen". Heute möchte man eher zum Fasten ermutigen, um den ruinösen Auswirkungen des zu guten Lebens zu begegnen.

Fasten im "diskreten Maß" ist auf vielerlei Weise möglich. Einfachere Formen sind: Auf das Frühstück zu verzichten (Halbtagsfasten) oder nur eine feste Mahlzeit am Tag (Ganztagsfasten). Bekannt sind ferner Safttage und die Empfehlung "FdH - (Fr)iß die Hälfte" sowie der Brauch, sich der Genußmittel (Kaffee, Nikotin, Alkohol) zu enthalten (eine Wohltat für den Körper, allerdings über die Hürde der Entzugserscheinungen).

Fasten im strengen Sinn - der Verzicht auf feste Nahrung für mehrere Tage - wird maßvoll durch Getränke gemildert. Das reine Wasserfasten empfiehlt niemand. Tees und Gemüsebrühen führen Kalorien sowie Inhaltsstoffe zu, die die Reinigung fördern. Gerade hier hat Hildegard wertvolle Anregungen gegeben. So wohlklingende Gewürze wie Bertram, Quendel und Galgant empfiehlt sie für den inneren Hausputz, unter den Gemüsen besonders den Fenchel und von den Getreidearten den Dinkel. Ein besonderer Herzwein stärkt den Kreislauf. In den Fastenkursen achtet der Leiter darauf, daß der Einzelne sein "diskretes Maß" findet. Wer allein im Alltag fastet, ist einzig und allein angewiesen auf sein Fasten#Motiv. Schlanksein allein könnte zu ruinösen Resultaten führen.

Beim Fasten - wie im Leben überhaupt - wird jeder seine eigene Variante des "Königsweges" finden (müssen). Hildegard kann mit ihren Einsichten in die tieferen Zusammenhänge von Welt und Mensch dem Einzelnen für diesen Weg Orientierung geben. Mögen ihre Erkenntnisse und ihre Fürbitte uns leiten.

Pfarrer

Franz Scharfenberg

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 13 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.03.1998

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