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Aus der Region

Gewaltlosigkeit als Botschaft

Tibet

Leipzig (jak) - Die Frauen gehören zu denjenigen, die am stärksten unter der chinesischen Herrschaft im annektierten Tibet zu leiden haben. Zwei ins indische Exil geflüchtete Mönche gaben zu Protokoll: "Im Herbst 1987 stellte ein chinesisches Geburtenkontroll-Team sein Zelt in der Nähe unseres Klosters in Amdo auf. Den Dorfbewohnern wurde gesagt, daß alle Frauen wegen einer Abtreibung oder einer Sterilisation zum Zelt kommen müßten, wenn sie keine ernsten Konsequenzen befürchten wollten. Die Frauen, die freiwillig zum Zelt kamen und keinen Widerstand leisteten, bekamen medizinischen Beistand. Die Frauen, die sich widersetzten, wurden mit Gewalt zum Zelt gebracht und operiert - sie erhielten keinerlei medizinische Unterstützung. Selbst bei Frauen, die im neunten Monat schwanger waren, wurden die Babys herausgeholt... Wir sahen viele Mädchen weinen, und wir sahen den wachsenden Berg von Föten, der außerhalb des Zeltes lag und fürchterlich stank." Alle schwangeren Frauen wurden in den zwei Wochen, in denen das Zelt dort stand, einer Abtreibung unterzogen und anschließend, wie die Frauen, die schwanger werden konnten, sterilisiert.

Berichte wie diese werden von Menschenrechtsorganistionen gesammelt und der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht. Trotzdem gehört die von den beiden buddhistischen Mönchen berichtet Praxis zum Alltag in Tibet. In Deutschland arbeitet die "Tibet Initiative Deutschland e.V., sie informiert über Tibet und engagiert sich für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Die stellvertretende Vorsitzende der Initiative, Barbara Simon-Mick, war kürzlich in Leipzig zu Gast. Auf Einladung der Eine-Welt-Initiative sprach sie im Haus der Demokratie zu Geschichte und Gegenwart Tibets. Simon-Mick machte deutlich, daß es noch immer Bestreben der chinesischen Regierung ist, das tibetische Volk systematisch zu dezimieren. Daran könne auch die Öffnungspolitik der vergangenen Jahre nichts ändern, mit der es wieder erlaubt war, den tibetischen Buddhismus zu praktizieren. Insgesamt, so Barbara Simon-Mick, sind in den Jahren seit der Okkupation rund 1,2 Millionen Tibeter umgebracht worden. Fast alle Klöster wurden während der Kulturrevolution zerstört, von 6000 Klöstern haben nur 13 die Kulturrevolution überstanden. Und wer heute die historische Altstadt von Lhasa sucht, wird sie nicht mehr finden. Erst in den vergangenen Jahren wurden die letzten Reste niedergerissen, um Platz für neue chinesische Bauten zu schaffen. Betrug die Fläche der Stadt noch 1959 rund 3 Quadratkilometer voller tibetischer Wohnsubstanz, so haben heute die chinesischen Wohnquartiere eine Fläche von 30 Quadratkilometern. Problematisch ist auch die damit verbundene Ansiedelung von Chinesen in Tibet. Sie nehmen die Positionen in Wirtschaft und Verwaltung ein und drängen so die Tibeter immer weiter zurück. Für diese stehen zudem kaum Wege offen, zu Bildung und Berufen zu kommen. Daher haben sie auf dem Arbeitsmarkt wesentlich geringerer Chancen, werden zu Bettlern im eigenen Land. Und das alltägliche Bild in Lhasa und allen anderen Regionen und Städten Tibets wird bis heute von Militär, Lautsprechern und Propaganda geprägt.

Neben den Angriffen auf die tibetische Religion und ihre Kulturgüter wurden auch die Natur und die traditionellen Lebensräume der Landbevölkerung systematisch zerstört.

Barbara Simon-Mick machte in Leipzig deutlich, daß die offizielle Ansicht Chinas, daß Tibet ein Teil ihres Landes sei, nicht stimmig ist. Vielmehr steht der tibetische Buddhismus, dem untergegangenen indischen nahe. Tibet, seine Religion und Kultur sind etwas völlig eigenständiges, betonte die Referentin.

Für Barbara Simon-Mick steht fest, daß sich das Engagement für ein freies Tibet lohnt. Sie machte Mut, sich mit den Gegebenheiten zu befassen und so einen Standpunkt zu beziehen, der von den nationalen Regierungen Europas aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht bezogen wird. "Angesichts dessen, was die Tibeter in den vergangenen Jahrzehnten erlitten haben, ist es erstaunenswert, daß es nur zu kleinen Unmutsäußerungen gegen die chinesischen Besatzer kommt", berichtet die Referentin. Dieser, von Tibet aus praktizierter Widerstand der Gewaltlosigkeit, kann für die ganze Welt ein Beispiel sein, hin zu einer friedlichen Weltordnung.

Weitere Informationen: Tibet Initiative Deutschland e.V., Bullmannaue 11 in 45327 Essen, Tel. 0201 / 83 03 821; Tibet-Haus Stralsund, Kutterdamm 1 in 18437 Stralsund, Tel. 03831 / 29 81 67

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 13 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.03.1998

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