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Bistum Dresden-Meißen

Beratung zum Ehrenamt

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Chemnitz (au) - Eine neue Art von Beratungsstellen ist in Chemnitz ins Leben gerufen worden. Zielgruppe sind hier nicht Menschen, die Hilfe in Problemsituationen benötigen, sondern Freiwillige, die auf der Suche nach einer ehrenamtlichen Betätigung sind, und nicht wissen in welchem Bereich sie aktiv werden könnten. Gleichzeitig ist die Beratungsstelle Anlaufpunkt für Einrichtungen oder Einzelpersonen, die Unterstützung brauchen und sie durch einen ehrenamtlichen Helfer finden möchten, eine Art Börse also.

Gut 150 ehrenamtlich Tätige und Interessierte versammelten sich am 12. März 1998 anläßlich der Eröffnung der Beratungsstelle für ehrenamtliches Engagement der Caritas / Stadtmission Chemnitz e. V. zur Fachtagung "Pro und Kontra Ehrenamt" im Saal der katholischen St. Joseph-Gemeinde Chemnitz.

Die Tagung begann mit Referaten, die das bundesweite Modellprogramm dieser Art Einrichtungen, die Anfänge der Chemniker Beratungsstelle sowie die politische Dimension des Themas Ehrenamt darstellten. Matthias Bartosch, der Geschäftsführer des Caritasverbandes für Chemnitz und Umland e.V., verwies auf das Grundproblem unserer Arbeitsgeseltschaft, das in der Bedeutungsminderung von Erwerbsarbeit liegt. Ehrenamtliche Tätigkeit wird dadurch zunehmend als Teil einer sinnvollen und gemeinwesenorientierten Lebensgestaltung verstanden und benötigt stärkere gesellschaftliche Anerkennung. In der Arbeitsgesellschaft ist Erwerbsarbeit nötig, um leben zu können, aber im voranschreitenden Prozeß der Computerisierung und Globalisierung wird verstärkt Erwerbsarbeit vernichtet. Als Folge davon steigen die Arbeitslosenzahlen und die Betroffenen erleben neben materiellen Problemen ein Wachstum an Freizeit.

Die Mitarbeiterinnen der Chemnitzer Beratungsstelle erklärten, daß rund 60 Prozent der Personen, die sich bisher nach Möglichkeiten für eine ehrenamtliche Tätigkeit erkundigten, Arbeitslose oder Altersrentner seien, die nach Wegen zur Gestaltung ihrer von Erwerbsarbeit freien Zeit suchten. Viele Arbeitslose erhoffen sich davon Unterstützung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Manche der Nachfragenden stehen am Ende einer Umschulung ohne Aussicht auf Arbeit und möchten ihr erworbenes Wissen anwenden. Ehrenamtliche Tätigkeit schafft zwar keine Arbeitsplätze, erhöht aber durchaus die Chancen, eine Stelle zu bekommen. Wer als Arbeitsloser einsatzbereit ist, wird dies sicher auch in Beschäftigung sein.

1995 begann der Aufbau des Modellprogramms der "Freiwilligen#Zentren" des Deutschen Caritasverbandes mit Sitz in Freiburg, zu dem bundesweit 16 Einrichtungen gehören. Im November 1997 wurde die Beratungsstelle für ehrenamtliches Engagement als Erweiterung des Modellprogramms ökumenisch ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Menschen in die Bereiche zu vermitteln, in denen sie etwas tun möchten, sie zu begleiten und fortzubilden sowie zu überwachen, daß sie nicht ausgenutzt und als billige Arbeitskräfte mißbraucht werden. Ehrenamtliche Tätigkeit soll keine Verdrängung von Arbeitsplätzen sein, sondern ein zusätzliches Angebot darstellen.

Von der Beratungsstelle wurden seit November letzten Jahres 550 Fragebögen an Institutionen und Vereine in Chemnitz geschickt. Bis heute sind 130 Angebote für ehrenamtliche Stellen eingegangen. Dem stehen 124 Anfragen von Tätigkeit suchenden Personen gegenüber, von denen 30 bisher vermittelt werden konnten.

Möglichkeiten für ehrenamtliche Tätigkeit bestehen vor allem auf den Gebieten Soziales, Kultur, Ökologie, Religion, Sport und Politik, wobei der Bereich Soziales die stärkste Nachfrage erlebt. Religion und Sport sind meist intern abgedeckt, in den anderen Bereichen werden vor allem Bevölkerungsteile erreicht, die bisher noch nicht ehrenamtlich tätig sind. Ein Ziel besteht darin, den Einsatzort möglichst im Nahbereich des Wohnumfeldes finden.

Gemeinsam mit den beiden Beraterinnen, Marlies Händel und Veronika Förster, die sich zu zweit eine Stelle teilen, kann der Suchende den Bereich finden, in dem er aktiv sein möchte. Wünsche und Motive werden ausgetauscht, und die Beratungsstelle vermittelt das Erstgespräch. Später versammeln sich die ehrenamtlich Tätigen zu Gruppengesprächen. Parallel dazu sollen ebenfalls Gespräche der Anbieter organisiert werden.

In der Chemnitzer Beratungsstelle haben bisher Interessierte verschiedener Altersstufen nachgefragt, die jüngste war eine 16jährige Schülerin, die älteste eine 69jährige Seniorin. Der überwiegende Teil der Nachfragenden sind Frauen. Neben der Arbeit mit dem einzelnen Helfer unterstützt die Beratungsstelle auch Initiativgruppen und soziale Projekte bei der Entwicklung von neuen Ideen und Arbeitsmodellen.

Im Anschluß an die Darstellung der Arbeit der Beratungsstelle folgte ein Beitrag des "Theaters Arbeitsloser Chemnitz" (TACH), das als ABM vom Arbeitsamt der Stadt gefördert wird. Ihre Szenen ernteten viel Beifall, machten aber aufgrund der dargestellten Wahrheiten auch sehr nachdenklich.

Die Podiumsdiskussion griff nochmals weite Bereiche des Themas Ehrenamt auf und wurde sehr engagiert und emotional geführt. Breiten Raum nahm dabei das Problem der Begrenzung der ehrenamtlichen Tätigkeit bei Arbeitslosen auf 15 Stunden pro Woche ein. Die Regelung wird damit begründet, daß sie sonst dem Arbeitsamt nicht zur Vermittlung zur Verfügung stehen würden. Sicher gibt es dafür einen verständlichen Hintergrund, allerdings ist ein ehrenamtlich Tätiger nicht aus der Welt, er leert seinen Briefkasten und ist am Einsatzort erreichbar. An ehrenamtliche Tätigkeit sei bei diesem Gesetz nicht gedacht gewesen, hieß es, ein Punkt, der dringend geändert werden sollte.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 13 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.03.1998

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