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Bistum Erfurt

Als Christ Politik machen

Akademie

Neudietendorf (ep) - Der Erfurter Bischof Joachim Wanke sieht in der Gesellschaft Anzeichen für ein neu erwachendes Interesse an Fragen des Gemeinwohls. Trotz verbreiteter Individualisierungstendenzen beobachte er zum Beispiel "ein wachsendes Bewußtsein für ökologische Fragen, was nicht zuletzt ein Verdienst der Grünen" sei, sagte der Bischof am 14. März bei einer Veranstaltung zum Thema "Christliche Politik in einer nichtchristlichen Welt?" in Neudietendorf bei Erfurt. Zugleich beklagte Wanke, ein zentraler Gedanke des Sozialpapiers der Kirchen, dazu zu ermutigen, sich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft um die Wiedergewinnung eines ethischen Grundkonsens zu mühen, sei bisher in der Öffentlichkeit "schlecht rezipiert" worden. Doch nur ein solcher gesellschaftlicher Konsens, so der Bischof, ermöglicht eine Verständigung über die wichtigsten Perspektiven einer zukunftsfähigen Gesellschaft und eröffnet Wege zur Bewältigung der bedrängenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme.

Joachim Wanke sprach bei einer Podiumsdiskussion, an der auch der Thüringer evangelische Landesbischof Roland Hoffmann sowie der emeritierte Erfurter Moraltheologe Wilhelm Ernst und der Jenaer Religionspädagoge Klaus Petzold teilnahmen. Zu dem "Forum für Christen in politischer Verantwortung" hatten bereits zum fünften Mal die Evangelische Akademie Thüringen und das Katholische Forum im Land Thüringen eingeladen. Mehr als 50 Teilnehmer der verschiedenen politischen Richtungen waren gekommen.

Bischof Wanke würdigte das Engagement derjenigen Politiker, die sich mit Ehrlichkeit und Ausdauer den politischen Alltagsaufgaben widmen. "Ich möchte Menschen immer wieder Mut machen, aus dem christlichen Glauben heraus Verantwortung zu übernehmen", sagte der Bischof. Es gehöre durchaus zum christlichen Selbstverständnis, sich politisch zu engagieren. Die Demokratie biete dafür gute Voraussetzungen, dürfe aber auch nicht vergöttert werden. Nach Auffassung des Eisenacher evanglischen Landesbischofs Roland Hoffmann gibt es "keine christliche Politik, wohl aber Christen, die Politik machen". Wer als Christ in der Politik tätig sei, brauche die Beheimatung in einer christlichen Gemeinde.

Auch der Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU), der am Abend zum Thema "Gibt es eine christliche Poli-tik?" referierte, beantwortete die Frage mit einem klaren Nein. Im politischen Alltagsgeschäft gebe es viele Angelegenheiten, die einfach entschieden werden müßten, es gebe aber auch immer wieder Fragen, die eine Gewissensentscheidung verlangten, sagte Bernhard Vogel.

Der emeritierte Erfurter Moraltheologe Wilhelm Ernst erinnerte in einem Statement daran, daß der moderne, freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebt, die er sich selbst nicht schaffen kann. Über letzte Fragen wie zum Beispiel der des Lebens und der Menschenwürde könne nicht abgestimmt werden. Nach Auffassung des evangelischen Religionspädagogen Professor Petzold sind in der Demokratie gerade auch von Christen unter Umständen "Akte zivilen Ungehorsams nötig", da die Demokratie "eine fehlerfreundliche Staatsform" sei. Dies gelte etwa dann, wenn im Umweltschutzbereich Bemühungen auf legalem Weg zu keinem verantwortbaren Ergebnis führten.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 13 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.03.1998

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