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Aus der Region

Institut erforscht Märtyrer der Stalin-Zeit

Moskau

Magdeburg / Moskau (dw) - Sie erforschen die Vergangenheit, um daraus Mut zu schöpfen für die Zukunft: Das orthodoxe theologische Institut des heiligen Tichon in Moskau hat sich zur Aufgabe gemacht, Lebensbilder über die Märtyrer der Stalin-Ära zu erstellen. Studenten und Dozenten des Institutes haben die Archive des KGB durchforstet, Zeitzeugen befragt und aufgrunddessen schon mehr als 2000 Akten von Bischöfen und Geistlichen angelegt, die wegen ihres Glaubens umgebracht wurden.

Heiner Hesse von der Partnerschaftsaktion Ost in Magdeburg hält das bisher vorliegende Arbeitsergebnis für ein eindrucksvolles Zeugnis der Standhaftigkeit und Leidensfähigkeit der orthodoxen Kirche. In der katholischen Kirche sei vielen nicht bewußt, daß nur sehr wenige orthodoxe Geistliche mit Stalin zusammengearbeitet hätten. Bewundernswert findet Heiner Hesse auch die Einsatzfreude der Studenten und Lehrer, die mit sehr einfacher Ausstattung und oftmals mit leerem Magen arbeiten müßten.

Die Partnerschaftsaktion Ost unterstützt das Institut, in dem seit 1992 Katecheten, Chorleiter, Ikonenmaler und Theologen ausgebildet werden. Der Rektor des Institutes, Erzpriester Wladimir Worobjow, ist der Enkel eines Priesters, der ebenfalls unter Stalin umgebracht wurde. Anläßlich der diesjährigen Renovabis-Pfingstaktion wird Worobjow im Mai gemeinsam mit seinem Sohn nach Magdeburg kommen.

Der Erzpriester ist der geistliche Führer der orthodoxen "Schwesternschaft vom heiligen Zarewitsch Dimitrij", die ebenfalls seit mehreren Jahren von der Magdeburger Partnerschaftsaktion gefördert wird. Beim Blättern in einer Hauszeitschrift der Schwestern, die in Moskau unter anderem ein Krankenhaus, eine Schwesternschule und ein Heim für Straßenkinder betreiben, entdeckte Heiner Hesse kürzlich, daß die 1991 wiedergegründete Einrichtung ursprünglich auf eine deutsche Prinzessin zurückgeht.

Als Elisabeth von Hessen-Darmstadt Anfang des Jahrhunderts begann, im 1. Städtischen Krankenhaus von Moskau zu arbeiten und eine Schwesternschaft nach dem Vorbild der Kaiserswerther Diakonissen zu gründen, betrat sie damit Neuland. In Rußland gab es bis dahin keine Tradition des diakonischen Dienstes der Kirche an Kranken, Alten und Behinderten. Die hessische Prinzessin hatte einen Onkel des späteren Zaren Nikolaus II. geheiratet, der Gouverneur von Moskau war. Als er 1905 einem Attentat zum Opfer fiel, begann die kinderlose Witwe mit ihrer diakonischen Arbeit.

1918 wurde sie zusammen mit der ganzen Zarenfamilie auf Befehl Lenins in Jekaterinenburg ermordet. In Moskau wird die liebenswürdige und sozial engagierte Elisabeth heute als Heilige verehrt. Auf ihrem Landeskonzil im Jahr 2000 will die russisch-orthodoxe Kirche über die Heiligsprechung der gesamten Familie entscheiden.

Als Heiner Hesse das Mutterhaus der Diakonissen in Kaiserswerth über seine Entdeckung informierte, stieß er auf Überraschung und großes Interesse. Bei seiner nächsten Rußlandreise Ende April wird er selbstgefertigte Handarbeiten im Gepäck haben, die die Diakonissen - fast alle haben bereits das 80. Lebensjahr überschritten - den russischen Schwestern schenken. Ein Briefwechsel hat begonnen. Auch das Halberstädter Diakonie-Krankenhaus hat Interesse an der diakonischen Arbeit in Moskau bekundet.

Die gemeinsamen Wurzeln könnten den einen oder anderen Diakonie-Mitarbeiter in Deutschland zu einer Spende ermuntern, hofft der Leiter der Partnerschaftsaktion Ost. In den katholischen Kirchen des Bistums Magdeburg wird die Gründonnerstags-Kollekte für die Projekte der Partnerschafts- aktion gesammelt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.04.1998

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