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Aus der Region

Christ, Gewerkschafter und Politiker aus Überzeugung

Würdigung

Menschen, die für ihr Volk und seine Zukunft Verantwortung empfinden, müssen ihrem Volk dienen. Sie müssen Vorbild und Beispiel sein. Dieser auch heute aktuellen Lebensmaxime ist der Christ, Gewerkschafter und Politiker Hugo Dornhofer gefolgt. Nach der Wende ist Dornhofer, der 1977 starb, in seiner Wahlheimat Heiligenstadt mehrfach postum für seine aufrechte demokratische Haltung geehrt worden - Würdigungen, wie sie zu sozialistischen Zeiten nicht denkbar gewesen wären, weil sie zugleich auch an das ihm zugefügte Unrecht erinnern mußten, wie sein in Heiligenstadt lebender Sohn Ignaz Dornhofer sagt.

Als Hugo Dornhofer am 13. November 1956 einen Tag vor seinem 60. Geburtstag schwer krank aus dem Zuchthaus Waldheim entlassen wird, ist er sich sicher, daß er dies nur Gottes Beistand zu verdanken hat: "Es ist meine tiefste und innerste Überzeugung, daß ich nicht lebend heimgekommen wäre, wenn nicht so viel für mich gebetet worden wäre", schreibt er 1957 in seinen Aufzeichnungen mit dem Titel "Zeit ohne Erbarmen".

Hugo Dornhofer war Christ, Gewerkschafter und Politiker aus Passion. In den 20er und 30er Jahren als christlicher Gewerkschaftssekretär tätig, stellte sich Dornhofer nach dem Krieg sofort für den Aufbau einer demokratischen Ordnung zur Verfügung. Bereits Ende Juni 1945 gründete er eine Ortsgruppe der CDU in Heiligenstadt. Er wurde CDU-Kreisvorsitzender im Eichsfeld, war stellvertretender und zeitweise amtierender Landesvorsitzender in Thüringen und Abgeordneter im Landtag.

Nach dem Willen Dornhofers und anderer sollte die CDU eine Volkspartei werden, der Menschen von der katholischen und evangelischen Arbeiterschaft bis zum Mittelstand angehörten. "Es waren keine Namen von Rang und Klang bei meinen Getreuen", so Dornhofer. "Es war das Verdienst der wackeren Männer und Frauen vom Lande, daß das Eichsfeld nicht zinnoberrot wurde..." Dornhofer: "Meine größte Sorge war die Jugendfrage. Zwölf Jahre war den Menschen während der Nazi-Zeit eine Heldengesinnung eingetrichtert worden. Mitunter bis zu 90 Prozent der Lehrer hatten mit den Nazis mitgemacht. .... Wie sollte es nun weitergehen ..."






"Es war damals eine ganz andere Situation als später dann in der DDR: Zum Beispiel waren 48 von 79 Priestern des Eichsfeldes 1946 Mitglied der CDU", sagt Sohn Ignaz Dornhofer. Als die Freie Deutsche Jugend gegründet werden sollte, waren auch Hugo Dornhofer und der Heiligenstädter Propst Josef Streb unter denen, die sich dafür engagierten. Die Geistlichen mußten später auf Druck der Sowjetischen Militäradministration (SMA) ihre CDU-Mitgliedschaft aufgeben. Auf der Maikundgebung am 1. Mai 1946 hielt Hugo Dornhofer als Vorstandsmitglied der neu gegründeten Einheitsgewerkschaft FDGB in Heiligenstadt die Festansprache.

Bei den Wahlen im Herbst 1946 erreichte die CDU im Eichsfeldkreis mit 63,1 Prozent der Stimmen die besten Ergebnisse in der Sowjetischen Besatzungszone. Folge war eine Strafaktion durch die SMA: Der Landkreis Eichsfeld wurde aufgelöst, um die Einheit der Eichsfelder aufzuweichen. Alle Landwirte wurden mit einer 30prozentigen Sonderablieferung belegt. Einige CDU-Ortsvorsitzende und Geistliche wurden aus politischen Gründen inhaftiert.

Schwierige Zeiten für Hugo Dornhofer und seine engsten Mitstreiter warfen ihre ersten Schatten voraus: SMA und die 1946 gegründete SED versuchten zunehmend, dem gesellschaftlichen Neuaufbau ihre Ziele aufzuprägen. "Es waren heiße Debatten, die da oft geführt wurden. Wir blieben den Russen meist doch unbegreiflich", beschreibt Hugo Dornhofer in seinen Aufzeichnungen Eindrücke, die er bei seinen unzähligen Vorladungen und Verhandlungen als CDU-Politiker gewann. "Man konnte und wollte nicht verstehen, daß man sich für andere, für eine Idee, für Grundsätze, für den Glauben stundenlang schinden lassen konnte. Und erst recht nicht, daß man Vorteile für deren Aufgabe ablehnen konnte."

Ein wesentliches Hindernis für den Aufbau demokratischer Strukturen sah Dornhofer in der massiven Einmischung der SMA und der eindeutigen Bevorteilung der KPD/SED. "Das Ziel der Russen war klar: Die marxistisch-sozialistische Geisteshaltung als Weltanschauung sollte das beherrschende Faktum werden", so Dornhofer in seinen Aufzeichnungen. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchte die SMA, sich der im Antifaschistischen Block per Befehl zusammengefaßten verschiedenen Parteien zu bedienen, was langfristig mit massivem Druck auch gelang.

Hugo Dornhofer, der dies klar erkannte, blieb unbeugsam. Besonders kritisch stand er der Bodenreform gegenüber: Dornhofer hielt die den Bauern zugeteilten Landstücke für zu klein, als daß ihre Familien davon leben könnten. Er kritisierte aber auch massive Ungerechtigkeiten bei der Vergabe und die entschädigungslose Enteignung von Boden sowie die verhängten Sonderabgaben für alle Bauern, die nicht SED-Mitglied waren. 1947 begannen die intensiven Bemühungen von SMA und SED, mit Hilfe eines sogenannten Volkskongresses einen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat zu errichten. Dabei war anfangs noch an ein sozialistisches Gesamtdeutschland gedacht. Dornhofer widersetzte sich den bereits seit Ende 1945 bestehenden Bestrebungen, politische Pluralität auszuschalten und einen Staat nach sowjetischem Vorbild aufzubauen. Dabei sah er sich zunehmend auch in der Auseinandersetzung mit CDU-Mitgliedern, die eine konfliktfreie Zusammenarbeit mit der SMA wollten.






So verwundert es nicht, daß SMA und SED Mitte 1947 Gründe suchten, Dornhofer abzusetzen. Mit einer gezielten Pressekampagne wurden ihm Verstrickungen in das NS-System vorgeworfen, weil er als Dienstverpflichteter für Überstunden in den Mittelwerken Dora, wo Waffen produziert wurden, das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse bekommen habe und einen Volksempfänger besessen hätte - eine haltlose Beschuldigung. Dennoch mußte Dornhofer daraufhin sein Amt im CDU-Landesvorstand aufgeben. Weiterhin machte er jedoch keinen Hehl aus seinen Überzeugungen. In den Auseinandersetzungen um den "Volkskongreß" und dem damit in Zusammenhang stehenden Vorgehen gegen den Vorsitzenden der Ost-CDU, Jakob Kaiser, in Berlin wandte sich Dornhofer öffentlich gegen dessen Absetzung und stellte sich unmißverständlich hinter Kaisers demokratische Positionen. Damit widersetzte er sich auch der inzwischen offiziellen sowjetkonformen Linie seiner eigenen Partei.

Folge: Dornhofer wurde am 19. Februar 1948 als CDU-Kreisvorsitzender abgesetzt und mußte auch als Kreistagsvorsitzender zurücktreten. Ein Jahr später wurde er aus politischen Gründen als Verwaltungsdirektor der Krankenkasse Heiligenstadt entlassen. Doch die schwerste Folge seiner unbeugsamen Haltung stand ihm noch bevor: Auf dem täglichen Weg zum Werktagsgottesdienst wurde der 55jährige am Morgen des 26. Juli 1952 in Heiligenstadt verhaftet. "Den letzten Anstoß dazu dürften wohl die verstärkten Aktivitäten der Exil-Ost-CDU unter Jakob Kaiser gegeben haben", sagt Sohn Ignaz Dornhofer. "Diese Aktivitäten in die neu gegründete DDR hinein boten den Vorwand, Anhängern der demokratischen Auffassungen Kaisers Spionageaktivitäten vorzuwerfen."

Bereits in Heiligenstadt wurde Hugo Dornhofer verhört und brutal mißhandelt. Nach vier Tagen wurde er ins Gefängnis des Staatssicherheitsdienstes nach Erfurt überstellt. Im Dezember mußte er ins Haftkrankenhaus nach Eisenach gebracht werden. Erst am 26. Februar 1953, sieben Monate nach seiner Verhaftung, begann der Scheinprozeß gegen ihn, seinen Sohn Ignatz und weitere Angeklagte. Am 4. März 1953 wurden Hugo Dornhofer zu 12 Jahren und Sohn Ignaz zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Ignaz Dornhofer hatte zwei Tage nach Verschwinden seines Vater bei der Kriminalpolizei nach seinem Vater geforscht und war daraufhin verhaftet worden.

Im Urteil über Hugo Dornhofer hieß es: "... Der Angeklagte hat ... wohl mit den entscheidendsten verbrecherischen Beitrag in der Zersetzung und Wühlarbeit gegen die Christlich-Demokratische Union und damit gegen eine der Grundlagen der politischen Entwicklung, nämlich der Blockpolitik geleistet ... Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß es sich bei dem Angeklagten um einen fanatischen Anhänger der Kriegspolitik Jakob Kaisers handelt und um einen der gefährlichsten Verbrecher an der fortschrittlichen Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik. ..."

Über seine Haftzeit schreibt Dornhofer später: "Es sind in den viereinhalb Jahren wenig Tage gewesen, an denen keine Kerze (für mich) gebrannt hat. Und war ich auch wie ein zertretener Wurm, ich war stärker als meine Peiniger. Und das nur Kraft des Gebetes. Gott zwingt keinen, an ihn zu glauben. Wer glaubt, muß vertrauen." Anliegen seiner Aufzeichnungen sei es, "eine Lehre zu geben, wie bei einigem Zusammenhalten und bei ständiger Besinnung auf die unvergänglichen Werte des Christentums in Wort und Tat Schwerstes überstanden werden kann." (ep)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.04.1998

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