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Aus der Region

Für freiwillige Rückkehr

Bosnien

"Flüchtlinge darf man nicht einfach ins Bodenlose schicken, sondern sie müssen die Rückkehr als eine langwierige, schwierige Aufgabe begreifen. Sie sollte grundsätzlich auf freiwilliger Basis organisiert und mit konkreten Wiederaufbauprogrammen vor Ort gekoppelt werden", betonte Jasmina Prpic - ehemals Richterin in Banja Luka - in ihrem Referat "Hilfe zur Selbsthilfe".

Jasmina Prpic sprach bei der Arbeitstagung "Rotkreuz-Hilfen für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina" am 25. März in Bonn. Dabei erinnerte sie an die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonfernz vom 16. und 17. Juni 1997.

Diese zitierte sie mit folgenden Auszug: "In Übereinstimmung mit dem Päpstlichen Rat "Cor Unum" und dem Päpstlichen Rat für die Migranten halten wir an der Vorrangigkeit des Prinzips der freiwilligen Rückkehr in Sicherheit und Würde fest. Voraussetzung ist, daß die Flüchtlinge wissen, wohin sie zurückkehren können und daß die Wohnungs- und Eigentumsverhältnisse geklärt werden."

Die Bischofskonferenz macht in ihrer Erklärung weiter deutlich, daß für jeden einzelnen Rückkehrer eine Gefahr für Leib und Leben ausgeschlossen werden muß. "Eine Destabilisierung des Friedensprozesses und eine weiter ethnische Teilung müssen vermieden werden."

Ab April diesen Jahres ist die Lage der in Deutschland verbliebenen Bosnier erneut brisant geworden. Vielen von ihnen wurden bereits "Abschiebeandrohungen" zugestellt. Dabei - so kritisieren nicht wenige - werden sie in eine ungewisse Zukunft entlassen. Aus dem Raum der katholischen Kirche wendet sich immer wieder die Friedensbewegung Pax Christi zu Wort und setzt sich für einen Verbleib der Bosnier in der Bundesrepublik bis zur völligen Realisierung des Abkommens von Dayton ein.

Jasmina Prpic forderte in Bonn ein weiteres Engagement der internationalen Staatengemeinschaft, über sie "führt der einzige mögliche Weg einer Flüchtlingsrückkehr". Ihr allein stehen die Instrumente zur Verfügung, mit den sie die Machthaber zwingen kann, die Flüchtlinge neu zu integrieren. Sie kann sehr viel effektiv durchsetzen, "das heißt, was sie wünscht, wenn sie es wünscht." In Anbetracht der Flüchtlingsrückkehr ist die internationale Gemeinschaft jedoch noch nicht energisch aufgetreten, kritisierte Jasmina Prpic. Sie vermutete, daß die internationalen Staaten eher die Ergebnisse der ethnischen Säuberungen akzeptieren und mit schnellen Rückführungen vielleicht sogar noch untermauern wollen.

Im Dayton-Abkommen ist jedoch das Recht aller Flüchtlinge verankert, sicher und frei an ihren früheren Wohnsitz zurückzukehren. Die Referentin erinnerte an einen rechtlichen Anspruch der Flüchtlingen, weiter in der Bundesrepublik Deutschland zu verbleiben: In einem 1997 zwischen der Bundesrepublik und der Regierung von Bosnien und Herzegowina geschlossenen Rückübernahmeabkommen heißt es, daß der Flüchtling zu seinem "früheren Aufenthaltsort oder an einen anderen vom Flüchtling gewünschten Ort" zurückkehren kann. Weiter das zitierte Abkommen: "Die Rückführung erfolgt phasenweise, in enger Zusammenarbeit der Vertragsparteien bei der Feststellung der Dynamik der Durchführung, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lage in Bosnien und Herzegowina."

Jasmina Prpic erinnerte in diesem Zusammenhang an die "Zeugen"-Unterschrift, die Bundeskanzler Helmut Kohl am 14. Dezember in Paris unter das Dayton-Abkommen setzte. Für sie eine verbindliche politische Garantie für das Abkommen und seine Inhalte. Darin - so erinnerte Prpic nochmal - ist die "freiwillige Rückkehr" aller Flüchtlinge und Vertriebenen an künftige "Heimatorte ihrer Wahl" festgelegt.

Für zehntausende, hunderttausende bosnischer Flüchtlinge, die bis jetzt in Deutschland Unterschlupf gefunden haben, droht jetzt ein langer Alptraum Wirklichkeit zu werden: Sie müssen ihre Koffer packen und sich auf eine lange Reise begeben - eine Reise in die Nacht, schwerer noch als die Reise in die Fremde. Damals flüchteten sie mit der Hoffnung auf eine andere Rückkehr, mit der heimlichen Überzeugung, daß es sich bloß um einen kurzen Ausflug in das Unbekannte handle, um einen Ausflug, der mit einer gerechten Lösung enden werde. Das waren die Zeiten, als die Bosniaken der Welt noch vertrauten, betonte Jasmian Prpic. Sie äußerte die Befürchtung, daß viele der Unglücklichen nirgendwo ankommen werden. "Tausende frustierter, betrübter und manipulierter Gestalten", die nicht mehr bereit sein werden zu verzeihen.

Für Jasmina Prpic und die anderen Kritiker hat die Geschichte der Rückkehr der bosnischen Flüchtlinge aus Deutschland vor allem eine brutale, realpragmatische Seite. "Niemand würde die Argumente der deutschen Politik bestreiten - wenn sie wahr wären. Doch der Friede ist nicht nach Bosnien zurückgekehrt. Das Schießen ist gestoppt worden, das ist wahr. Alles andere ist eine große Lüge."

Alle Politiker wissen ganz genau, daß die Stolcaner nicht nach Stolac zurückkehren können, Srebrenicaner - auf jeden Fall ohne ihre umgebrachten Männer, Väter, Brüder und Söhne - nicht nach Srebrenica. Und was noch schlimmer ist, so Jasmina Prpic, sie wissen auch, "daß die gewaltsame Abschiebung der Menschen... eine neue Tragödie bedeutet."

Abschließend forderte sie ein Bleiberecht solange, bis die Bosnier wirklich nach Hause kommen können

(tdh)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.04.1998

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