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Aus der Region

An Guardini-Tradition angeknüpft

Eugen Biser in Berlin

Berlin (rc) - Genau 75 Jahre nach Beginn des Wirkens von Romano Guardini als Professor für Katholische Religionsphilosophie und Weltanschauung an der Humboldt-Universität hielt am 15. April der Münchner Religionsphilosoph Eugen Biser an der Berliner Alma mater die erste von drei Vorlesungen zum Thema "Einweisung ins Christentum". Das Echo war erstaunlich. Fast 500 Interessierte nahmen an der vom Philosophisch-Theologischen Forum der Berliner Studentengemeinde "Maria Sedes Sapientiae" und der Katholischen Akademie Berlin initierten Vorlesungsreihe teil. Unüberhörbar war dabei der ökumenische Aspekt. Nachdem bereits der Berliner Erzbischof Kardinal Georg Sterzinsky die "erfreuliche ökumenische Aufgeschlossenheit" der evangelisch-theologischen Fakultät gelobt hatte, ging deren Prodekan, Wolf Krötke, einen Schritt weiter. Es sei ein "bedauerlicher Umstand, daß es in der Bundeshauptstadt keine katholische Fakultät gibt". Er wünsche sich kontinuierliche Vorlesungen im Geiste Guardinis.

Auch Biser betonte, daß Theologie heute nur noch im ökumenischen Austausch möglich ist. Der Guardini-Preisträger von 1997 begann seinen Vortrag mit einem Hinweis auf das Karl-Marx-Zitat im Foyer der Universität: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern." Der größte Revolutionär der Religionsgeschichte war Jesus von Nazareth, denn er wollte die Strukturen des Menschseins und des gesamten Daseins verändern, knüpft Biser an. Heftig widerspricht er der These von Friedrich Nietzsche vom "toten Gott". Jesus lebt in seiner Wirkung fort, hält er ihm entgegen. Jesus habe aber nicht nur moralisiert, sondern "wollte den Menschen durch die Liebe gegen das Böse immunisieren".

Es sei deshalb falsch, wenn das Christentum in der Öffentlichkeit nur als moralische Institution zur Lösung ethischer Probleme betrachtet werde. "Das Christentum ist keine moralische, sondern eine mystische, heilende Religion", betont der emeritierte Inhaber des Münchner Lehrstuhls für Christliche Weltanschauung. Die Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes "zu allen Menschen" müsse in den Mittelpunkt der Verkündigung gestellt werden.

Ausführlich ging der Philosoph und Theologe in seinem in brillianter freier Rede gehaltenen Vortrag auf die Identitätsnot des modernen Menschen ein. Die Antwort auf seine Fragen könne der Mensch in der Dialogbeziehung zu Gott finden. Denn der Gott des Christentums sei ein antwortender, nicht ein befehlender Gott. "Er will nicht die Disziplinierung des Menschen, sondern seine Erhebung. Mit seiner Sinnspitze ragt der Mensch bereits in Gott hinein", lautet die Botschaft Bisers.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 17 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.04.1998

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