Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Aus der Region

Der Erfolg der Rechten war absehbar

Kommentar

Keiner kann sagen, er hätte es nicht gewußt! Daß die rechtsextreme Deutsche Volksunion des Münchners Gerhard Frey in den Magdeburger Landtag einziehen wird, war absehbar. Sachsen-Anhalt heute, das ist ein Land mit der höchsten Arbeitslosenquote in den fünf neuen Bundesländern: 24,1 Prozent! Anders als in anderen Ländern verloren die Menschen hier schnell das Vertrauen in herkömmliche Politikkonzepte. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie fühlen sich seit 1990 von den demokratischen Parteien - besonders von der Bonner CDU-CSU/FDP-Koalition - an der Nase herumgeführt. Viel wurde versprochen, wenig gehalten! Nur daher war es für die westdeutsche DVU ein leichtes, sich auf Anhieb in Sachsen-Anhalt zu etablieren. Das von ihr genutzte Potential an Protestwählern war und ist weiter da. Nicht nur im Osten! Erinnert sei an die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft im September 1997, als die DVU nur um Haaresbreite den Einzug in den Senat verpaßte.

Dennoch rauschte in der vergangenen Woche eine Welle der realitätsfernen Bestürzung durch den deutschen Blätterwald, über Radio und TV. Höhepunkt der Heuchelei war die Ortung der neuen Bundesländer als rechts- und linksradikale Hochburgen. Und CDU-Generalsekretär Peter Hintze vertrat in der Bonner Runde die irrige Meinung, daß die Duldung der Minderheitsregierung aus SPD und Grünen durch die PDS die Wähler in das rechte Lager getrieben habe. Zwei Meinungen nur, die treffsicher am Tor vorbeiführen. Aber auch die SPD hat in ihrer Siegesfreude den Ernst der Lage noch nicht begriffen.

Schuldzuweisungen und unlogische Analysen helfen jetzt wenig. Gefragt ist jeder Einzelne, die Parteien, Verbände und die Kirchen. Gerade sie werden in Zukunft gefordert sein, sich aktiv in das politische Tagesgeschäft einzumischen, und ausgehend vom christlichen Menschenbild soziale Gerechtigkeit einzuklagen.

Magdeburgs Bischof Leo Nowak nahm die Wahl bereits zum Anlaß, sich zu Wort zu melden. Das ist gut so. Er forderte am Montag alle demokratischen Parteien dazu auf, durch eine "menschennahe und redliche Politik das Vertrauen vieler Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen." Bis dahin aber ist es ein steiniger Weg, zuviel wurde in der Vergangenheit verschüttet, zuviele Leben verletzt und in die Perspektivlosigkeit entlassen. Einen solchen Weg kann sich die gesamte Bundesrepublik nicht länger leisten.

Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.05.1998

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps