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Aus der Region

Interview mit Dompfarrer Dr. Hauke

Alternative zur Jugendweihe

Herr Dompfarrer, was veranlaßt Sie als katholischer Seelsorger, junge Nichtchristen zu einer Lebenswendefeier einzuladen?
Junge Menschen brauchen ein Fest, in dem sich ihr Schritt ins Jugendalter dokumentiert. Für Christen wird in Firmung oder Konfirmation deutlich: Ich muß nun zunehmend selbstverantwortlich leben und brauche dafür den Segen Gottes. Doch 90 Prozent der Schüler in den neuen Ländern sind nicht getauft. Es ist jedoch für jeden jungen Menschen auf dem Weg zum Erwachsenwerden sinnvoll, über das eigene Leben nachzudenken. Wenn Jugendliche auf eine entsprechende Einladung eingehen, so sind sie dazu bereit. Oder ihre Eltern möchten, daß sie sich darüber Gedanken machen und daß sie eine Form finden, den Beginn des neuen Lebensabschnitts bewußt zu feiern. Als Pfarrer kann ich dabei helfen und versuchen, Nichtchristen allgemein bedeutsame Werte zu vermitteln. Dabei werde ich als Christ immer auch meine religiösen Werte anklingen lassen als Einladung, darüber nachzudenken.
Will Ihr Angebot bewußt eine Alternative zur in den neuen Ländern immer noch weitverbreiteten und zumindest in der Vergangenheit atheistisch orientierten Jugendweihe sein?
Man muß bei den Anbietern von Jugendweihefeiern unterscheiden: Manche wie zum Beispiel der Humanistische Verband arbeiten noch sehr in der sozialistischen Tradition der DDR, die eine antikirchliche und nichtreligiöse Ausrichtung hatte. Es gibt aber auch Anbieter, die sehr großen Wert auf eine humanistische Bildung legen. Hier gilt es zu differenzieren. Ich biete als katholischer Pfarrer im christlichen Sinn eine Feier an und lade dazu ein. Wenn Jugendliche bereit sind, sich im Raum einer Kirche, mit christlichem Hintergrund und gemeinsam mit einem Pfarrer eine solche Lebenswendefeier zu gestalten, dann ist das ihre Entscheidung und für sie eine Alternative zu anderen Angeboten.
Die Lebenswendefeier wird im Erfurter Dom, also in einer Kirche stattfinden. Dabei soll ein Lied mit christlichem Inhalt und ein Segensgebet verwendet werden. Ist der religiöse Rahmen nicht eine Überforderung für Nichtchristen?
Wenn ich das, was ich als Christ zu sagen habe, als ein Sinnangebot vorstelle, ist dies sicher keine Überforderung. Wir bekommen ständig in der Gesellschaft viele Sinn- und auch Unsinns-Angebote vorgesetzt und müssen uns dafür oder dagegen entscheiden. Wenn ein Jugendlicher sagt, ich lasse mich auf eine von einem christlichen Pfarrer angebotene Lebenswendefeier ein und nehme daran teil, so zeigt er in gewisser Weise bereits Offenheit für christliche Werte. Und denkt darüber nach, ob diese Werte vielleicht seinem Leben Sinn geben könnten, oder überlegt zumindest, ob er daraus Anregungen für sein Leben mitnehmen kann. Mir ist sehr wichtig, daß auch Menschen, die nichts mit der Kirche zu tun haben, erfahren: Kirche ist nicht nur etwas für die Menschen, die regelmäßig zum Gottesdienst gehen. Sie hat jedem Menschen Wertvolles anzubieten.
Sie sehen die Chance, daß Nichtchristen ihre Existenz mit Hilfe christlicher Deutungsmuster des Lebens besser bewältigen können?
Ich denke, daß dies möglich ist. Gerade in den Konfliktsituationen des Lebens, in schwerer Krankheit und in der Konfrontation mit dem Tod oder auch bei Dauerarbeitslosigkeit steht schnell die Frage: Hat mein Leben oder das meiner Mitmenschen einen Sinn? Da kann es hilfreich sein, daß man gesagt bekommt: Du könntest ja mal darüber nachdenken, ob es nicht auch von daher einen Sinn geben könnte, daß du bist und daß es jemanden - ich sage jetzt mal im Himmel - gibt, der dich liebt und dich annimmt, wie du bist, und der dich auf einen guten Weg bringen will, damit du mit deinem eigenen Weg besser zurechtkommst.
Woher kommen die Jugendlichen, die an der Lebenswendefeier teilnehmen werden?
Ich habe in der Zeitung inseriert und in einer Erfurter Buchhandlung einen Vortrag zu meinem Vorhaben gehalten. Außerdem habe ich das Angebot in katholischen Einrichtungen Erfurts bekannt gemacht. Zum Beispiel gibt es im katholischen Krankenhaus nichtchristliche Mitarbeiter, die durch ihre Arbeit mit christlichem Gedankengut vertraut sind und die christliche Werte als sinnvoll erachten. Und die deshalb daran interessiert sind, daß auch ihre Kinder christliche Werte kennnenlernen.
Sie hatten erwogen, eine solche Feier im Klassenverband anzubieten und vorzubereiten ...
Für die Jugendweihen oder Jugendfeiern wird häufig durch Eltern, die sich in einem Jugendweiheverband engagieren, in den Klassen geworben. So könnte ich mir auch vorstellen, daß man die Lebenswendefeier als Angebot zum Beispiel auch über die Jugendlichen der Pfarrgemeinde in Schulklassen hineinträgt und so die Idee weiterbringt. Andererseits soll es aber wirklich auch nur ein Angebot sein. Zudem ist die Vorbereitung und Durchführung der Lebenswendefeier anspruchsvoll, weil die Jugendlichen selbst die Feier mitgestalten und sich im Vorfeld über die Form und den Ablauf Gedanken machen. Es ist also eher etwas für Jugendliche, die mehr wollen als sich ein Programm vorsetzen zu lassen.
Könnte das Angebot solcher Lebenswendefeiern nicht auch eine ökumenische Aufgabe sein?
Ich denke ja. Hier könnten sich die Gemeinden einer Stadt gemeinsam engagieren und nichtchristlichen Jugendlichen ein Angebot machen.

Interview: Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.05.1998

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