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Aus der Region

Pfarrer begleitet nicht getaufte Jugendliche

Alternative zur Jugendweihe

Erfurt - Claudia, Lea, Dominik, Andreas und Lisa haben das Jugendalter erreicht. Grund genug, diesen wichtigen Einschnitt im Leben gebührend zu feiern. Die Frage war nur: Wie? Da sie keine Christern sind, standen Firmung oder Konfirmation nicht zur Diskussion. In den neuen Bundesländern nehmen 1998 nach Schätzungen zirka 100 000 Mädchen und Jungen ihres Alters an einer Jugendweihe teil. Claudia, Lea, Dominik, Andreas, Lisa und weitere sieben Mädchen und Jungen aus Erfurt entschieden sich anders: Sie bereiteten sich in den letzten Monaten auf ihre Lebenswendefeier vor, die nun am 2. Mai im Erfurter Dom stattfindet.

"Ich hatte an einem Informationsabend zur Jugendweihe teilgenommen und war enttäuscht", erzählt die 14jährige Lisa. "Das ist eine einzige Massenabfertigung. In den Osterferien jetzt haben die Jugendweihe-Teilnehmer hier aus Erfurt eine Reise nach Spanien gemacht. Und nun steht die JugendweiheFeierstunde bevor, die im Kaisersaal stattfindet - für die Schüler mehrerer Klassen gleichzeitig. Das ist alles. Ein Angebot für die Teilnehmer, miteinander über das Leben und die Zukunft nachzudenken und sich überhaupt erst einmal als Jugendliche zusammenzufinden, gibt es meines Wissens nicht", so die Gymnasiastin. Genau das aber hat ihr zum Beispiel an dem Angebot gefallen, das der Dompfarrer, Domkapitular Dr. Reinhard Hauke, bei einem Vortrag in der Erfurter Michaelis-Buchhandlung vorstellte, an dem sie gemeinsam mit ihrem Vater teilnahm.a

Seit einem halben Jahr trafen sich die Vierzehnjährigen einmal monatlich mit Pfarrer Hauke, um sich auf ihre Lebenswendefeier vorzubereiten. Sie reflektierten über ihre Lebensgeschichte und tauschten sich über Zukunftswünsche hinsichtlich von Partnerschaft und Beruf aus - Themen, die auch bei der Lebenswendefeier im Dom zum Tragen kommen sollen. Anliegen des Treffens am 4. März war es dann, "über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen", wie es der 44jährige Pfarrer salopp formulierte: "Es ist wichtig, als Heranwachsende zu erkennen, daß vieles in der Welt nicht so ist, wie es wünschenswert wäre. Und nach Möglichkeiten zu fragen, was sich dagegen tun läßt."

In Zeitungen suchten die Schüler nach entsprechenden Meldungen und trugen ihre Ergebnisse in ein Arbeitsblatt ein. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten ergab sich plötzlich ein intensives Gespräch. Ausgangspunkt war die Frage, wie Menschen Krieg verhindern können und die Tatsache, daß die meisten Deutschen 1933 Hitler gewählt hatten. "Ich kann gar nicht glauben, daß unsere Urgroßeltern nichts von den Konzentra-tionslagern gewußt haben wollen", sagte eines der Mädchen. Ein anderes meinte: "Eigentlich hat die Bevölkerung ja mitgeholfen bei der Judenverfolgung. Die haben sie doch gemeldet." Bei der Frage, was man heute gegen die Beschimpfung von Vietnamesen tun kann, meinte jemand aus der Runde: "Den Mund halten. Schließlich will ich heil nach Hause kommen." Reinhard Hauke äußerte Verständnis, machte aber deutlich, daß man manchmal auch allein für seine Meinung einstehen muß.

Im April trafen sich die Jungen und Mädchen an einem Samstagmittag. Jeder Schüler hatte etwas zu essen mitgebracht: Eine Schüssel Nudelsalat, Würstchen, Ketchup ... Die Jugendlichen hatten Obdachlose der Stadt zu einem Mittagessen eingeladen. Sie wollten damit zeigen, daß sie als Heranwachsende Probleme in der Gesellschaft erkennen und auch etwas dagegen tun wollen. Lisa, Annegret, Dominik und die anderen flitzten hin und´her, um die 15 Obdachlosen, die sich nach und nach eingefunden hatten, zu bedienen. Diese genossen die Zuwendung und lobten das "super Essen". Vor einem Gespräch mit den Obdachlosen schreckten die Schüler jedoch zurück.

Für die Lebenswendefeier haben die Mädchen und Jungen Wünsche und Bitten für sich und die Welt formuliert, um diese im Dom vorzutragen. Gemeinsam wurde die Gestaltung der Feier überlegt. So soll zum Beispiel das christliche Jugendlied gesungen werden, in dem es heißt: "Wo Menschen sich verbünden, den Haß überwinden, und neu beginnen, ganz neu, da begegnen sich Himmel und Erde ..." Lisa freut sich auf die Feier. Der Dom habe etwas Ehrwürdiges, sagt sie. Daß es sich dabei um eine Kirche handelt, stört die ungetaufte Jugendliche nicht, die allerdings "ein bißchen an Gott glaubt". Lisa freut sich darüber, daß sie mit einer recht persönlich gehaltenen Feier den Schritt ins Jugendalter begehen kann, die ihr "ein Leben lang im Gedächtnis bleiben soll". (ep)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.05.1998

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