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Bistum Erfurt

Islam auf dem Weg ins 21. Jahrhundert

Kreuzgang-Gespräche

Erfurt (ep) - Der Berliner Islamwissenschaftler Peter Heine hat sich dafür ausgesprochen, Bestrebungen der in Deutschland lebenden Muslime nach eigenen Organisationen "nicht zu verteufeln". Erfahrungen aus Los Angeles (USA), aber auch aus den Berliner Stadtbezirken Neukölln, Wedding und Kreuzberg zeigten, daß nur muslimische Organisationen in der Lage seien, bei schwierigen Problemen Lösungen anzubieten, sagte Heine am 23. April bei einem Vortrag zum Thema "Der Islam auf dem Weg ins 21. Jahrhundert" im Rahmen der Erfurter Kreuzganggespräche 1998 .

Die Kreuzganggespräche, die vom Philosophisch-Theologischen Studium und vom Katholischen Forum in Thüringen veranstaltet werden, widmen sich in diesem Jahr dem Dialog zwischen den Religionen, Kulturen und Gesellschaften und fragen nach "Prägungen der Vergangenheit und Wirkungen auf die Zukunft". Schwerpunkte sind der Islam und der Buddhismus.

In Deutschland zeichnen sich nach Angaben Heines in den stark von Moslems bewohnten Vierteln großer Städte zunehmend Verelendungstendenzen ab, denen begegnet werden müsse. Dies sei jedoch für Nichtmoslems schwierig. Erfreulicherweise seien es zum Beispiel in Berlin die Moschee-Gemeinden, die unter jugendlichen Muslimen Drogenarbeit leisten und sich der Aidsproblematik stellen, so Heine. Die Schaffung eigener Strukturen führe zudem zu einer Vereinheitlichung der Auffassungen unter der islamischen Bevölkerung, was Vorteile für den Dialog zwischen Deutschen und Muslimen habe. Vereinheitlichungstendenzen im Islam beobachtet der Wissenschaftler auch auf globaler Ebene.

Heine geht davon aus, daß der Islam für die westliche Welt mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Weit verbreitet unter den Moslems und entscheidend sei ein intensives Festhalten an einem an den islamischen Überzeugungen ausgerichteten Tun. Die Zahl der gewaltbereiten fundamentalistischen Moslems liege bei zwei Prozent. Sie hingen einer "rückwärtsgewandten Utopie an", wonach eine ewige Erlösung nur zu erlangen sei, wenn weitgehend solche gesellschaftlichen Verhältnisse geschaffen würden, die der der Zeit der Offenbarung des Islams durch Mohammed gleichkämen. Diese Gruppierungen hätten vor allem dort Erfolg, wo die religiös gemäßigten Regierungen zunehmend weniger in der Lage seien, die Lebensverhältnisse der Menschen zu stabilisieren. Der Isla-mist geht davon aus, daß sich das Gleichgewicht der muslimischen Gesellschaften zugunsten eines stärker mystisch geprägten Islams verschieben wird. Die meisten Moslems leben heute in Ländern Asiens, darunter in wirtschaftlich aufstrebenden Staaten wie Indonesien und Malaysia.

Die Kreuzganggespräche finden jeweils 19.30 Uhr in der Kiliani-Kapelle am Kreuzgang des Erfurter Domes statt. Thema des Vortrages in dieser Woche (30. April) war "Die christliche Herkunftseinheit Europas und die europäische Einigung". Am 7. Mai referiert der Bonner Fundamentaltheologe Hans Waldenfels über "Die prägende Kraft des Buddhismus".

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 18 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.05.1998

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