Pfarrer gehen mit Soldaten mit
Militärseelsorge
Dresden - Das Ziel der Militärseelsorge liegt in der offenen Begleitung aller in der Bundeswehr Tätigen. Sie bietet zudem die Chance, neben der Begleitung der christlichen Soldaten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sonst keinen Zugang zur Kirche finden
Einen Einblick in diese Arbeit der katholischen Militärseelsorge in Deutschland gaben kürzlich der Militärgeneralvikar Jürgen Nabbefeld, Bonn, und Militärdekan Heinrich Hecker aus Potsdam während eines Gesprächsabends der Katholischen Akademie Dresden, zu dem leider nur reichlich 30 Gäste gekommen waren. Ziel des Abends war es, aufzuzeigen, daß Militärseelsorger gemeinsam mit den Soldaten leben und Ansprechpartner für sie sind
Militärdekan Hecker sagte dazu, daß sich über den alltäglichen Kontakt hinaus auch religiöse Gespräche entwickeln und daß den Pfarrern oft Fragen gestellt werden, deren Inhalte im "normalen" Gemeindeleben als Voraussetzung gelten und so in der Regel nicht thematisiert werden. Die Gemeinde des Militärpfarrers befindet sich an keinem festen Ort, sondern er geht mit der Truppe mit, ohne selbst Teil der Armee zu sein. Er hat jederzeit freien Zugang zu den Soldaten, ist unabhängig, besitzt keinen Rang und ist gegenüber den Militärs nicht weisungsgebunden, betonte Hecker
Die Militärseelsorge bildet in Deutschland ein eigenständiges Bistum innerhalb der katholischen Kirche und ist in der Deutschen Bischofskonferenz vertreten. Es gibt 92 Dienststellen, die für 350 000 Soldaten zuständig sind
Große Probleme stellen sich für die Soldaten oftmals in der räumlichen Trennung von ihren Familien und dem System von Befehl und Gehorsam. Soldaten benötigen nicht nur die Ausbildung an der Waffe, sondern auch persönliche Unterstützung und moralisches Bewußtsein. Der Soldat bedarf, so Nabbefeld, breiter politischer Bildung und Urteilsfähigkeit, eines geschärften Rechtsbewußtseins, auch des Völkerrechts, "und vor allem eines sorgsam gebildeten Gewissens, das ihn den Friedens- und Gerechtigkeitswillen Gottes klar erkennen und die moralischen Konsequenzen daraus in seinem Handeln ziehen läßt." Neue Aufgaben stellen sich heute für die Bundeswehr und die Militärseelsorge mit dem Aufbau von internationalen Kampfverbänden, die im Rahmen von NATO und Westeuropäischer Union an Kampfeinsätzen zur Friedensschaffung oder -erhaltung im Ausland teilnehmen sollen. Ein Beispiel dafür bietet die derzeitige SFOR-Mission im ehemaligen Jugoslawien
Auch hier sind Militärseelsorger vor Ort. Bei derartigen Einsätzen stellen sich für viele Soldaten existentielle Fragen einerseits in der Situation, plötzlich beschossen zu werden oder schießen zu müssen und andererseits in den Momenten, in denen in der Vergangenheit der Gebrauch der Schußwaffe untersagt war, man nur Beobachterfunktion hatte und mit ansehen mußte, wie andere Menschen zu Opfern wurden, ohne ihnen helfen zu können
Die an die Ausführungen anschließende Diskussion war interessant, entglitt aber aufgrund der Äußerungen einiger Teilnehmer zeitweise dem eigentlichen Thema
Fragen nach sozialem Friedensdienst und in der Richtung, ob es zulässig sei, daß Christen Militärdienst leisten oder ob das nicht ein Grundwiderspruch in sich wäre, wurden aufgeworfen. Die Militärseelsorge kompromittiere sich mit ihrer bloßen Existenz, weil sie damit das Militär rechtfertige, wo doch ein Christ nur friedlich seinen Mitmenschen begegnen solle. In gewisser Weise haben diese Stimmen sicher ihre Berechtigung, allerdings, und darauf verwies ein Zuhörer mit Nachdruck, würden mit dieser Meinung alle Christen verurteilt, die einen Militärdienst leisten oder geleistet haben und die als Soldaten an der Befreiung vom Nationalsozialismus beteiligt waren
Die heutige weltweite politische Situation erlaubt leider keine militärlose Staatsgestaltung und die Mitglieder der Armee brauchen die Unterstützung der Bevölkerung und persönlichen Beistand. Dafür leistet die Militärseelsorge einen wichtigen Beitrag. Ansgar Ulrich
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.05.1998