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Aus der Region

Evangelisch und katholisch

Pfingstgedanken

Jedes Jahr zu Pfingsten versammeln sich die evangelischen und katholischen Christen und feiern ihren gemeinsamen Gottesdienst, Anla zu Dank und Bitte.

Zunchst zum Dank: Ich selber bin aufgewachsen in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer evangelischen Kirche. Dieses unser Nachbarhaus und die groe katholische Kirche in der Nachbarstrae empfand ich nie als Konkurrenten oder Feinde. Im Gegenteil, ich habe in meiner Entwicklung ganz wertvolle Anregungen von den evangelischen Freunden und Bekannten erhalten. Gewi hat mich das Leben in unserer katholischen Gemeinde in erster Linie tief geprgt, aber den Austausch ber die Grenzen der Konfessionen hinweg kann ich mir aus meinem Leben nicht mehr wegdenken. Ich erlebte bei den Evangelischen zum Beispiel, wie man tglich die Bibel liest (mit Hilfe der Herrnhuter Losungen). Das war eine wertvolle Ergnzung zu der Begeisterung fr die biblischen Geschichten, die mir mein Heimatpfarrer im Religionsunterricht schon vermittelt hatte. Bis heute flieen mir immer wieder neue Anregungen aus dem Austausch mit evangelischem Brauchtum und Glaubensgut zu. Eigentlich bin ich dadurch selber erst so richtig katholisch geworden. Ich kann ganz anders die Schtze unserer eigenen Glaubenstradition wrdigen. Da mir die Verschiedenheit der Konfessionen zur tieferen Gemeinschaft mit Christus verholfen hat, dafr mu ich jedesmal ein groes Danke sagen.

Nun zur Bitte: So wie ich grer wurde, begriff ich auch bald, da die Aufteilung in zwei Gebude nicht einfach eine organisatorische Trennung war. Es war ein Ri, eine Spaltung im Wesentlichen, verbunden mit viel Leid und Streit und Vorurteilen. Ich kann mich noch gut an die ersten gemeinsamen Gottesdienste Ende der sechziger Jahre erinnern. Wir waren erfllt von diesem Brckenschlag. Aber eine vierhundertjhrige Geschichte kann man nicht mit wenigen Gottesdiensten berbrcken. Die Folgen der Spaltung sitzen tief.

Bis heute finden sich Befrworter und Gegner einer greren Annherung sowohl in den Kirchenleitungen als auch an der Basis beim "Kirchenvolk". Es gibt sicher gute theologische Grnde, geschichtliche Fakten und soziologische Rcksichten, um die Trennungen in verschiedene Kirchen zu verstehen. Doch werden solche Argumente meist nur benutzt, um die bestehenden Vorurteile zu zementieren. Bischof Joachim Wanke aus Erfurt fragt deshalb zurecht: "Ist /kumene Machtkampf um kirchliche ,Marktanteile' - oder nicht vielmehr ein heiliger Wettstreit, immer mehr und tiefer Christus zu gehren und so freinander die Freiheit zu einer tieferen Gemeinsamkeit der Konfessionen zu gewinnen?" Ich bitte daher nicht um eine "Wieder-Vereinigung". Die Vielfalt der christlichen Gemeinschaften ist ein groer Reichtum (wir kennen das von den vielen Gemeinschaften schon innerhalb unserer katholischen Kirche). Ich bitte einzig und allein um die gegenseitige Achtung voreinander. Denn dies ist die Grundlage fr den "heiligen Wettstreit". Nur wenn wir fhig werden, uns gegenseitig zu bewundern und voneinander zu lernen, erfllen wir Jesu Bitte, "eins zu sein untereinander".

Mge uns der Pfingstgeist auf diesem Wege weiterfhren.

Franz Scharfenberg,

Pfarrer in Zwenkau

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 21 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 24.05.1998

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