Verget nicht eure Erinnerung
KlΠschen Hagis
KlΠschen Hagis (bip/tdh) - Das Wetter hatte gehalten, so da die Regenschirme der Teilnehmer der 42. Mînnerwallfahrt nur ganz kurz zum Einsatz kamen. Bischof Joachim Wanke stellte deshalb gegen Ende der Wallfahrt sichtlich erleichtert fest: "Gut, da wir nicht aus Zuckerwatte sind! Ein bichen Weihwasser brauchen wir ja doch." Trotz des kΠhlen Wetters waren wieder an die 20 000 Mînner - viele wurden von ihren Sñhnen und Frauen begleitet - zum KlΠschen Hagis gepilgert. Nicht wenige waren erstmals dabei. Besondere Gîste der Wallfahrt waren der Kñlner Weihbischof Manfred Melzer und der evangelische Superintendent Martin Herche aus Heiligenstadt.
In seiner Predigt ging Bischof Joachim Wanke anhand des Leitwortes der Wallfahrt "Vom Geist gefΠhrt die Wahrheit leben" auf die gesellschaftliche Situation ein: Was ist eigentlich in unserem Lande los? Haben wir noch den rechten Durchblick und die rechten Mastîbe? Joachim Wanke: "In der DDR-Zeit habt ihr euch genau Πberlegt, was ihr aus Zeitung und Radio glauben konntet. Ihr habt eure Entscheidungen und euer Handeln sorgfîltig abgewogen. Jetzt habe ich den Eindruck, alles wird geschluckt, was Mode und Zeitgeist vorgeben, mag es noch so verrΠckt sein."
Er wisse, da die meisten Christen und auch andere in unserem Land verantwortlich wîhlen werden. "Aber wîhlt - mit Verstand und verget dabei nicht eure Erinnerung! An die Zeit vor 1945, und auch vor 1989! ...Und honoriert jene, die den Mut haben, Probleme beim Namen zu nennen. In allen Parteien wird mir zu viel den Leuten nach dem Munde geredet", warnte der Bischof. Er rief weiterhin dazu auf, sich politisch einzumischen, denn Demokratie lebe vom verantwortlichen Mittun aller, nicht nur bei Wahlen.
Es gîbe einen WahlprΠfstein, der fΠr ihn als Bischof von besonderem Gewicht sei: Wie stehen die einzelnen Parteien zur Forderung von Artikel 6 Grundgesetz: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung". Er appellierte an alle einsichtigen Krîfte im Land: "Sîgt nicht den Ast ab, auf dem wir alle sitzen! Wer Ehe und Familie nivelliere, sie nur als Privatsache des Einzelnen ansieht, wer gar zulît, da sie lîcherlich gemacht werden und wer die Familien zum Lastesel der Nation erklîre, der versΠndige sich an der Zukunft unseres Volkes!"
Im "frommen Teil seiner Predigt", wie Wanke es selbst nannte, ging der Bischof "auf das Salz in unserer Lebens- und Gesellschaftssuppe" ein. Ohne Gott und sein Gebot, ohne seine Verheiungen und Hilfen, die er in seinem Erbarmen gewîhre, sei alles MΠhen umsonst, schmecke das christliche Leben nicht, werde es schal und leer.
Im Anspiel der Schluandacht bemΠhte sich der "Versucher" mit schwarzem Zylinder und Umhang sowie dîmonischem Auftreten, der von Diakon Johannes Freitag in bravourñser und beklemmender Weise gespielt wurde, drei Mitmenschen fΠr den Zeitgeist und die Torheiten der Moderne zu gewinnen.
Erstmals predigte danach mit Superintendent Martin Herche aus Heiligenstadt ein evangelischer Geistlicher auf der Mînnerwallfahrt. Herche stellte fest, da evangelische und katholische Christen gemeinsam auf Gottes Geist angewiesen sind. Er allein kñnne die Freude des Glaubens schenken, allein der Geist lasse in der Wahrheit leben.
Gegen Ende der Wallfahrt wurde der Heilgenstîdter Erwachsenenseelsorger Georg Schuchardt, der in den vergangenen Jahren die Vorbereitungen der Mînnerwallfahrt geleitet hatte, mit einem Blumenstrau und lang anhaltendem Beifall verabschiedet. Bischof Wanke, der Georg Schuchardt zum Pfarrer in Gotha ernannt hat, stellte gleichzeitig seinen Nachfolger vor. Pfarrer Lothar Jagemann, bisher Pfarrer in Bleicherode, wird neuer Erwachsenenseelsorger.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.05.1998