Vollständiger Wiederaufbau bleibt Hauptziel
Paulinerkirche
Leipzig (ak) - "Hauptamtliche Kirchenleute sind in unserem Verein so gut wie gar nicht vertreten. Das liegt daran, daß sie unseren Verein als Konkurrenz zu ihrer Kirchengemeinde sehen. Sie denken, wenn die Paulinerkirche wieder aufgebaut würde, kämen weniger Gläubige zu ihnen in die Kirche."
Geschäftsführer Ott Künnemann vom "Paulinerverein - Bürgerinitiative zum Wiederaufbau von Universitätskirche und Augusteum in Leipzig" kann diese Gedanken nicht nachvollziehen. Für ihn ist die Universitätskirche - wie sie der Leipziger Volksmund gemeinhin bezeichnet - schlicht ein verlorenes Kulturgut. Anläßlich des 30. Jahrestages der Kirchensprengung am Pfingstsamstag verdeutlichte Künnemann noch einmal den Vereinsstandpunkt.
Im Rahmen der andauernden Diskussionen um einen vollständigen oder partiellen Universitätsneubau am Augustusplatz sieht Künnemann die Chancen für eine Wiederbelebung der Paulinerkirche besser denn je: "Der vollständige Wiederaufbau ist nach wie vor unser Hauptziel. Wir wissen aber auch, daß wir kompromißbereit sein müssen. Wir könnten uns auch eine würdige Gedenkstätte vorstellen. Man kann den Bogen vom Volksaufstand von 1953 über die Ereignisse von 1968 bis hin zu 1989 an diesem Platz spannen. Die Gedenkstätte könnte auch die wiedererstandene Paulinerkirche sein. Wichtigster Partner wird hierbei die Universität sein, die schließlich das Haus wieder nutzen soll und zwar multifunktional wie es immer gewesen ist."
Als einen anderen gangbaren Kompromißweg würde der Paulinerverein auch den ausschließlichen Wiederaufbau der historischen Fassaden von Kirche und angrenzendem ehemaligen Uni-Gebäude - dem Augusteum - gutheißen. Die Suche nach den Trümmern wäre dabei keine Sisyphus-Arbeit, da der Schuttabladeplatz exakt bekannt ist. In den Tagen der Kirchensprengung kippten die sozialistischen Laster die Trümmer in ein acht Meter tiefes und inzwischen überhügeltes Erdloch in Nähe des Völkerschlachtdenkmals. "Die Stadtarcheologen sind sich ziemlich sicher, daß das Zusammenpuzzlen kein bauliches Problem darstellt", erklärt Künnemann lächelnd. Und spricht somit nicht aus, daß die Gretchenfrage für einen möglichen autenthischen Wiederaufbau einzig und allein die Finanzierung der Bergung bleibt. Die 256 Mitglieder des 1992 gegründeten Paulinervereins sind nicht durchweg Leipziger Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Paulinerkirchen-Sympathisanten aus aller Welt zumeist ab 50 Lebensjahren. Nur sehr wenige junge Erwachsene fühlen sich zum Verein hingezogen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.06.1998