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Bistum Magdeburg

Jede Form von echter Begegnung hat hier Platz

Kloster Helfta

Schwester_Gerburga Helfta (dw) - Insgeheim hatte Schwester Gerburga gehofft, in Helfta etwas mehr Muße und Ruhe zum Lesen zu finden als in den vorausgegangenen 29 Jahren an einer turbulenten Bingener Berufsschule. Unter anderem wollte sie sich in die Schriften der Helftaer Mystikerinnen vertiefen.

Seit September leben die Maria-Ward-Schwestern Gerburga Schmitz und Walburga Filtzinger im neugegründeten Begegnungs- und Bildungshaus auf dem ehemaligen Klostergelände. Zum Lesen kam Schwester Gerburga seither nur selten. Zufrieden ist sie trotzdem. Mit ihrem ausgefüllten Terminkalender hat sie dazu beigetragen, Kloster Helfta und seine Begegnungsmöglichkeiten bekannter zu machen.

Selbst Katholiken müssen erst eine Hemmschwelle überwinden, wenn sie an der Einfahrt des Helftaer Geländes das Wort "Kloster" lesen, hat die Schwester erfahren. Veranstaltungsangebote im Begegnungshaus Helfta und außerhalb sollen das Kloster für die Bevölkerung der Region vertrauter machen. Christliche und nichtchristliche Gruppen sind eingeladen, mit eigenen Veranstaltungen nach Helfta zu kommen: Ein Tagungsraum für 30 Personen, 27 Übernachtungsplätze und in der warmen Jahreszeit Raum für mehrere 100 Teilnehmer in Speicher und ehemaligem Schafstall stehen ihnen zur Verfügung.

Im Hause fanden in den vergangenen Monaten unter anderem Vorträge über Herz-Jesu-Verehrung oder Zisterzienserklöster statt, Besuche von Schulklassen und - in den nächsten Tagen - eine Tagung der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes.

Katholische und evangelische Christen aus der Region folgten den Einladungen der Schwestern zu "Exerzitien im Alltag" in der Fastenzeit, zu einer Burgundreise auf den Spuren des heiligen Bernhard von Clairveaux und einer Bingen-Fahrt zum Hildegard-Jubiläumsjahr.

"Jede Form echter Begegnung hat hier einen Platz", betont Gerburga Schmitz. Die christliche Botschaft könne die Menschen in einem nichtchristlichen Umfeld nur dann erreichen, wenn vorher eine positive menschliche Atmosphäre geschaffen worden sei, glaubt sie. Diese Erfahrung hat sie auch in der berufsbildenden Schule in Bingen gemacht, in der sie jahrelang unterrichtete. Die meisten Jugendlichen hatten dort mit dem Christentum "nichts am Hut".

Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin hatte sich bewußt vorgenommen, "wenig Frommes" zu erzählen, sondern den Schülern zu zeigen: "Hier seid ihr angenommen, hier könnt ihr reden und leben." Gespräche über existenzielle Fragen entwickelten sich im Geographie- oder Deutschunterricht eher als im Religionsunterricht.

Die Maria-Ward-Schwestern sind als Wegbereiterinnen für die süddeutschen Benediktinerinnen in Helfta, die sich hier in einigen Jahren ansiedeln wollen. Später sollen sich die beiden Ordensgemeinschaften hier ergänzen: Während die Benediktinerinnen ihre eher kontemplative Spiritualität leben, liegt der Schwerpunkt der "Englischen Fräulein" verstärkt auf dem Apostolat.

Gerburga Schmitz hat sich für diese Ordensgemeinschaft vor allem entschieden, weil sie beeindruckt ist von der Gründerin Maria Ward: Sie hielt zu der Kirche, aus deren Reihen sie auf das heftigste angefeindet wurde. Dabei ließ sie sich aber nie einschüchtern, sondern übte in mutiger Weise Kritik an Vertretern der Kirche.

Eine Haltung, die Schwester Gerburga auch in der heutigen Zeit für wichtig hält: "In der Kirche kann man nur von innen her etwas verändern."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 23 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.06.1998

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