Katholisches Büro Erfurt
Kirche und Politik: Verhältnis wird schwieriger
Erfurt (ep) - "Konsequente Qualitätssicherung" und eine Betonung des christlichen Glaubens an die Treue Gottes zum Menschen hat der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, der Kirche empfohlen. "Schlampige Seelsorge, flacher Religionsunterricht, mittelmäßige Caritasarbeit, intellektuelle Anspruchslosigkeit in der geistigen Auseinandersetzung" seien für die Kirche "nach innen wie nach außen schädlich", sagte Langendörfer bei der Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen des Katholischen Büros in Erfurt.
Die Kirche solle sich "nicht als nützliche Nicht-Regierungs-Organisation missverstehen". Stattdessen müsse sie deutlich machen, "dass ihr letztlich nur Glaube, Hoffnung und Liebe das Aussehen verleihen, dass Neugier und Interesse weckt und zu einer Zusammenarbeit mit ihr einlädt". Zugleich gelte es, "gesellschaftliche Entwicklungen und Zusammenhänge möglichst gut wahrzunehmen". Nur dann habe die Kirche "eine Chance, wach und zielsicher zu handeln und ihr Eigenes so zu sagen, dass die Menschen es verstehen".
Bischof Joachim Wanke hatte zuvor Landtag, Landesregierung, Landkreisen und Kommunen, Parteien und anderen gesellschaftlichen Kräften für die Bereitschaft zum konstruktiven Gespräch mit der Kirche gedankt. Dem Leiter des Katholischen Büros, Ordinariatsrat Winfried Weinrich und seiner Mitarbeiterin Monika Willwohl, bescheinigte er "großen Einsatz" und hohe Kompetenz: "Sie, Herr Weinrich, sind für mich der lebende Beweis: Man muss nicht unbedingt Prälat sein, um in der politischen Öffentlichkeit Anerkennung und Respekt zu finden."
Landtagspräsidentin Christine Lieberknecht dankte der Kirche für die Beteiligung an der politischen Ausgestaltung der Lebensverhältnisse in Thüringen. Als Beispiele nannte sie das Bildungsgesetz und den unermüdlichen Einsatz der Kirche für die Belange von Ehe und Familie. Gerade angesichts banger Fragen der Gegenwart wie etwa in bezug auf die "Wahrung der menschlichen Würde in Grenzsituationen" sei die Politik "dringend auf die Partnerschaft mit den Kirchen angewiesen". Die Grüße von Ministerpräsident Bernhard Vogel überbrachte Kultusminister Michael Krapp. Angesichts der nichtchristlichen Mehrheit der Bevölkerung müsse die Kirche auch im Sinne der politischen Kultur und demokratischen Zivilisation die christliche Tradition in Thüringen lebendig halten. Krapp äußerte die Erwartung, dass es hoffentlich bald gelingen werde, hinsichtlich der Eingliederung der Theologischen Fakultät Erfurt in die Universität Erfurt Verhandlungen aufzunehmen. Für das partnerschaftliche und kollegiale Zusammenwirken mit ihrem katholischen Amtskollegen bedankte sich die Leiterin der Kontaktstelle der evanglischen Kirche zu Landtag und Landesregierung, Kirchenrätin Gundula Bomm. Gemeinsam werde man auch in Zukunft angehen, was nötig und was möglich ist.
Langendörfer zeichnete in seiner Festansprache ein mäßig optimistisches Bild für die Rolle der Kirche in der künftigen Gesellschaft. Derzeit sei zwar "das besondere Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland durch ein hohes Maß an Kontinuität gekennzeichnet und trotz aller Kritik im Einzelnen immer noch überwiegend von Zustimmung getragen." Doch unterlägen Kirche und Staat einem Wandel, der "nicht ohne Auswirkungen" auf dieses Verhältnis bleibe. So nehme die Kirche nach wie vor an der gesellschaftspolitischen Debatte teil und habe sich beispielsweise - wenn auch ohne Erfolg - gegen die nahezu geschaffene Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften oder gegen die Präimplantationsdia-gnostik ausgesprochen (bei der außerhalb des Körpers gezeugte Embryonen untersucht und im Fall einer schweren genetischen Schädigung vernichtet werden). Die Kirche stehe aber "immer häufiger vor dem schmerzlichen Problem", sich zu etwas zu Wort melden zu müssen, "das sich grundsätzlich außerhalb des für sie verbindlichen ethischen Rahmens bewegt: Extrakorporale Befruchtung und gleichgeschlechtliche Liebe sind nach kirchlicher Überzeugung abzulehnen, finden aber in der Gesellschaft beträchtliche Akzeptanz und schaffen politischen Regelungsbedarf". Bekanntestes weiteres Beispiel sei die Schwangerenkonfliktberatung. Langendörfer: "So steht die Kirche vor der Frage, wie weit sie sich - um ihres öffentlichen Auftrags willen - auf Bereiche einlassen will und darf, die sie ,eigentlich' ablehnt."
Ordinariatsrat Weinrich ließ die zurückliegenden Jahre anhand wichtiger Ereignisse wie Bistumsgründung 1994 und Staat-Kirche-Vertrag 1997 kurz Revue passieren. Er dankte den staatlichen Gesprächspartnern dafür, "dass die Türen des Landtages und der Ministerien für die Anliegen der kirchlichen Seite stets offen standen und immer wieder das Bemühen um gemeinsame Lösungen erkennbar war". Seiner evangelischen Kollegen dankte er für das vertrauensvolle Miteinander.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.03.2001