Dominikanerpater und Prediger Gordian Landwehr
Verstorben
Am Fronleichnamstag, dem 11. Juni, starb Pater Gordian Landwehr im Alter von 85 Jahren im Leipziger St. Elisabeth-Krankenhaus (Requiem und Beisetzung am 19. Juni). Die Dominikanerinnen und Dominikaner des Konventes St. Albert würdigen Pater Gordian:
Als Sohn Hermann der Eheleute Heinrich und Anna Landwehr wuchs er im Kreis seiner elf Geschwister in Lohne auf. In seiner geliebten Heimatpfarrei St. Gertrud ging er zur Ersten Heiligen Kommunion und empfing in ihr auch das Sakrament der Firmung.
Nach dem Abitur am Kolleg St. Josef in Vechta trat er am 12. Mai 1932 in Warburg (Westfalen) in den Dominikanerorden ein. Seit dem Tag seiner Einkleidung und dem Beginn des Noviziats trug er den Ordensnamen Gordian.
Am 13. Mai 1933 legte er seine erste Profeß ab und nahm seine philosophischen und theologischen Studien an der Ordenshochschule der Dominikaner in Walberberg bei Köln auf. Am 27. Juli 1938 empfing er aus den Händen des Kölner Weihbischofs Hammels die Priesterweihe.
Nachdem er 1939 seine Studien abgeschlossen hatte, wurde er in den Konvent St. Josef zu Düsseldorf versetzt. Von dort wurde er am 1. November 1940 zum Wehrdienst eingezogen. Seitdem war er, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, als Sanitäts-Offizier im Krieg tätig, konnte in dieser Zeit aber gleichzeitig vielen Menschen als Seelsorger nahe sein.
Im Mai 1946 wurde Pater Gordian aus der Gefangenschaft entlassen. Vom Krieg gezeichnet kehrte er in den Konvent nach Düsseldorf heim. Hier hat er sich als Seelsorger für eine Gruppe von zweihundert jungen Frauen im "Heliand" und in der Begleitung der Mitglieder der Dominikanischen Familie einen unvergeßlichen Namen gemacht.
Zu Beginn des Jahres 1951 trat Pater Dr. Wunibald Brachthäuser, der damalige Provinzial der Dominikaner-Provinz Teutonia, mit der Bitte an Pater Gordian heran, nach Leipzig zu gehen, um von dort aus eine breitere Predigttätigkeit aufzunehmen. Im Frühjahr desselben Jahres entsprach Pater Gordian dieser Bitte und reiste über Berlin nach Leipzig.
Noch im Sommer 1951 begann er mit dem Bau der heutigen Pfarrkirche St. Albert in Leipzig-Wahren. Bischof Heinrich Wienken konnte sie bereits am 15. November 1952 konsekrieren. Zusammen mit Pater Hermann-Josef Kreling und Pater Basilius Vink wirkte Pater Gordian zunächst als Seelsorger in Wahren.
Bei einer Zusammenkunft von Priestern im Leipziger Oratorium wurde beschlossen, für das Dekanat Leipzig monatliche Jugendpredigten einzuführen. Mit der ersten wurde Pater Gordian betraut. "Dann", so sagte er einmal von sich selbst, "geschah etwas, was für mich schicksalhaft geworden ist. Der damalige Pfarrer der Gemeinde Leipzig-Süd erklärte bei der nächsten Zusammenkunft, indem er auf mich zeigte: Laßt den nach diesem Einstieg mal weitermachen. Alle waren einverstanden. Und dann habe ich weitergemacht."
Missionar hatte er werden wollen. Als missionarischer Prediger reiste er bald durch die gesamte damalige DDR, sprach in Dresden, Berlin, Karl-Marx-Stadt, Görlitz, Zwickau und an manchem anderen Ort.
Pater Gordian wurde ein wichtiger Wegweiser und Helfer für die katholische Jugend, viele junge Christen und andere, die auf der Suche waren.
Seine besondere Liebe galt der ehemaligen Dominikanerkirche, der Universitätskirche St. Pauli in Leipzig. Hier predigte er regelmäßig vor zuweilen mehr als tausend jugendlichen Zuhörern. Es war für Pater Gordian wie für viele andere Menschen ein tiefer Schmerz, als die damaligen Machthaber dieses Kleinod am 30. Mai 1968 in die Luft sprengten. Nach diesem Akt der Barbarei hielt Pater Gordian seine Predigten vor den Studierenden und anderen jungen Menschen in der evangelischen Stadt- und Marktkirche St. Nicolai, von der später ausging, was Pater Gordian selbst nicht mehr zu erleben geglaubt hatte; die Wende.
Bis zum letzten Tag hat Pater Gordian sich eine solche "Wende" auch für die Einheit unter den Christen gewünscht. Prägend für diesen Wunsch war seine Zusammenarbeit mit den Seelsorgern der evangelischen Kirche. Vor mehr als 25 Jahren baten ihn evangelische Pastorinnen und Pastoren, er möge Exerzitien geben. Dieser Bitte war er gern nachgekommen.
Nach dem Bau der Mauer 1961 konnte er viele Jahre seine Heimat nicht besuchen. Nie hat er vergessen, daß man ihn nicht an das Sterbebett seiner Mutter hat ausreisen lassen.
In diesen besonders schweren Jahren der Spaltung Deutschlands trug Pater Gordian als Vikar des Provizials allein die volle Verantwortung für alle dominikanischen Aktivitäten auf dem Territorium der damaligen DDR. Über seine Tätigkeit als Pfarrer und Hausoberer hinaus war er zugleich Novizen- und Studentenmeister sowie Verbindungsmann zu Mitbrüdern, die in den sogenannten "sozialistischen Bruderländern" im Untergrund lebten und wirkten. Hierfür hatte ihn der Ordensmeister mit eigenen Vollmachten ausgestattet.
Anläßlich der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland an Pater Gordian sagte Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in seiner Laudatio: "Eine großartige Leistung: Vielen Zehntausenden von Menschen Mut gemacht zu haben in einer Zeit, in der aller Anlaß bestand mutlos zu werden. Zehntausenden von Menschen aus dem Glauben Kraft gegeben zu haben in einer Zeit, in der es schon ein Risiko bedeutete, sich offen zu bekennen. Für Zehntausende von Menschen in diesem Sinne da gewesen zu sein, wer kann das schon von sich sagen?"
In seiner Dankesansprache antwortete Pater Gordian unter Hinweis auf den Zusammenklang der Glocken der evangelischen Pfarrkirche mit denen von St. Albert: "Was würde es erst für einen Zusammenklang geben, wenn eine Jahrhunderte alte Sehnsucht endlich in Erfüllung ginge: Die Einheit der Christen in der Welt."
1991 hat Pater Gordian die Verantwortung für den Konvent St. Albert in jüngere Hände gelegt. In herzlicher Brüderlichkeit hat er die Planung und den Aufbau des geschwisterlichen Konventes mitgetragen und begleitet. Mit der Einweihung des neuen Gebäudes am 18. April 1998 durfte er noch miterleben, daß sein Werk in Leipzig weitergeführt wird.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.06.1998