Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Görlitz

Kirchenmusikdirektor Lothar Graap ging in Ruhestand

Erinnerungen

Mit der Aufführung des Oratoriums "Elias" von Felix Mendelssohn-Bartholdy am 14. Juni in Cottbus ging Kirchenmusikdirektor Lothar Graap nach 33 Jahren Berufsleben in den Ruhestand. Ein katholischer Chorsänger der ersten Stunde erinnert sich wie der Ökumenische Oratorienchor zu einer festen Institution im Cottbuser Musikleben wurde:

Die Druckerschwärze der Konzilspapiere mit ihren Aussagen zur Ökumene war noch nicht richtig trocken, da ging es in Cottbus schon los. Lothar Graap, Kantor an der evangelischen Klosterkirche, suchte und fand Verbindung zur katholischen Gemeinde St. Maria Friedenskönigin. Der dortige Pfarrer und Domkapitular, Bruno Broß, schmiedete zwar schon Pläne für seinen Ruhestand, war aber einer ökumenischen Zusammenarbeit sehr zugetan.

Was über hunderte von Jahren unmöglich erschien, wurde Wirklichkeit: Evangelische und katholische Christen sangen gemeinsam das Lob Gottes. Von Lothar Graap wurde für den gemeinsamen Anfang im Jahr 1965 katholische Literatur ausgewählt: die Krönungsmesse von Mozart. Die katholischen Christen durften erstmalig nach der Reformation, in der alten Klosterkirche in Cottbus eine lateinische Messe mitsingen. Eine herzliche Geste der Versöhnung, die zum Beginn einer fruchtbaren Zeit wurde.

In der Ankündigung zur Krönungsmesse hieß es noch: Es singt der Kirchenchor der Pfarrei St. Maria Friedenskönigin und die Kantorei der Klosterkirche: zwei Chöre aus zwei Gemeinden mit zwei verschiedenen Konfessionen. Später entstand der Name "Ökumenischer Oratorienchor". Bald meldeten sich viele neue Sänger; auch solche, die sonst zu keinem Chor gehörten. Die Stärke des Chores schwankte immer wieder zwischen 60 und 100 Sängern. Unter der Leitung von Lothar Graap wurde es möglich, größere sakrale Musikwerke im vom Sozialismus verordneten Atheismus aufzuführen.

lm Laufe der Jahre erschloß Lothar Graap die ganze Palette der Oratorien, sowie größerer und kleinerer Messen. Der Ökumenische Oratorienchor sang "Die Schöpfung" und den "Messias", die Johannespassion, die Matthäuspassion mit Peter Schreier als Evangelist, das Weihnacht-, das Oster- und das Himmelfahrts-Oratorium und die h-moll-Messe von Bach, das Brahms- und das Mozart-Requiem, die c-moll-Messe von Mozart, die Dvorak-Messe, den Elias, den Paulus und das Te Deum von Mendelssohn-Bartholdy, ein Gloria von Vivaldi, das Stabat Mater von Pergolesi und das von Dvorak. Mit einigen Werken wie der Dvorak-Messe begaben sich die Sänger in den 70er und 80er Jahren auf Reisen. So sangen sie in der Dresdner Hofkirche, in der Berliner Hedwigskathedrale, in Döbern, in Görlitz, in Weißwasser und zur Bistumswallfahrt in Neuzelle. In jüngster Zeit kamen dann die "Missa tempori in belli", die sogenannte Paukenmesse und das kleine Te Deum von Joseph Haydn zur Aufführung. Dazwischen trat der Cottbusser Chor mit Kompositionen von Lothar Graap auf. 1970 das Tryptichon, 1983 zum Evangelischen Kirchentag in Frankfurt/Oder das Luther-Oratorium und 1991 und 1995 das Emmaus-Oratorium.

Diese Aufzählung ist lange nicht vollständig. Dazwischen lag die musikalische Ausgestaltung der ökumenischen Andachten im Rahmen der Woche für die Einheit im Glauben und zum Reformationsfest. Und nicht zu vergessen, die Sonntagsgottesdienste in den Kirchen der Gemeinden der Stadt mit kleineren lateinischen Messen und auch mit kleinerem Chor.

Über so viele Jahre jeden Montag Chorprobe an den verschiedensten Orten der Stadt war nur möglich, weil Kirchenmusikdirektor Lothar Graap in eiserner Selbstdisziplin beharrlich und zielstrebig den Chor geführt hat. Nur die wenigen Tage Urlaub im Jahr und Graaps Ausfall wegen Krankheit gestatten dem Chor einen freien Montag. Dabei waren die Proben nur das eine, die aufwendige Organisation für die vielen Einsätze das andere. In seiner bescheidenen Art hielt er viele schwierige Situationen vom Chor fern. Wieviele schlaflose Nächte, Behördengänge, Telefonate, Gespräche waren nötig, von denen die Chorsänger nichts mitbekamen. Hin und wieder ließ Lothar Graap mit einem Nebensatz in einer Chorprobe einfließen, daß dieser oder jener Solist kurz vor einer Aufführung abgesagt habe, aber ein neuer in Aussicht sei.

Die Zusammenstellung und die Verpflichtung der Orchester war ein besonderes Kapitel. Nach Schikanen staatlicher Stellen durfte das Cottbusser Stadttheaterorchester beim Brahms-Requiem nicht spielen. Lothar Graap verpflichtete auswärtige Orchester wie das DEFA-Orchester Babelsberg, Mitglieder des Gewandhausorchesters, das Leipziger Rundfunkorchester, die Dresdner Staatskapelle oder Künstler der Komischen Oper Berlin. Die zusätzlichen Kosten drückten mächtig. Und fast alle Verhandlungen waren geheim. Auf den Plakaten für die Aufführungen stand dann immer etwas verschämt: "Es spielt ein Orchester". Doch trotz der Schwierigkeiten mit Staat und Stasi blieb der Chor eine starke Gemeinschaft. Denn die Verkündigung der Heilsbotschaft mit den Mitteln des Chorgesanges - auch unter widrigen Umständen - machte das Miteinander und den Auftrag aus.

Mit dem Abschlußkonzert in einer fast ausverkauften Kirche, gab Lothar Graap die Leitung des Chores auf. Er geht in den Ruhestand. Aller Voraussicht nach wird der Chor im Sinne von Graap als selbständiger Chor weiter erhalten bleiben. Darauf freuen sich alle Sängerinnen und Sänger und nicht zuletzt die Gemeinden in und um Cottbus, die dem Chor über die Jahre die Treue gehalten haben. Klaus Schirmer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.06.1998

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps