Auch Sprechstunde per Telefon möglich
Caritas-Suchthilfezentrum
Erfurt-Melchendorf (ep) - Mit Alkohol ist Martin Maier (Name und Umstände geändert) schon als Sechsjähriger in Berührung gekommen. Wenn die Eltern die zahlreichen Verwandten zu Familienfeiern einluden, standen bald die Flaschen auf dem Tisch. "Ich habe meine Eltern und unsere Gäste dann immer sehr laut und fröhlich erlebt", sagt der Mittvierziger. "Mir wurde klar, daß das etwas mit den Getränken zu tun haben mußte, und ich habe angefangen, heimlich den einen oder anderen Rest zu kosten. Danach fühlte ich mich gut und konnte sehr gut schlafen."
Als Lehrling mußte Maier oft für die Kollegen Bier und Schnaps einkaufen gehen, denn Durst hatten sie fast immer. Aber auch beim Tanzstunden-Unterricht ging es nicht ohne die Prozente. "Um den Mädchen zu imponieren, sind wir hinterher immer in eine Gaststätte gegangen", sagt Maier. Ich habe mich gut gefühlt, wenn ich zeigen konnte, wieviel ich vertrage." Stets dabei war der damals junge Mann auch bei Betriebsfeiern. "Wenn ich getrunken hatte, verlor ich meine Hemmungen und schoß dann öfter auch mal über das Ziel hinaus."
Nach und nach ist der Alkohol Martin Maier zum Verhängnis geworden. Ingesamt drei feste Beziehungen zu Frauen, aus denen auch Kinder hervorgingen, scheiterten. Maier mußte oft die Arbeitsstelle wechseln. Zweimal saß er in der DDR-Zeit im Gefängnis. Ursache war immer sein übermäßiger Alkohohlgenuß und damit in Verbindung stehendes Verhalten. In der Wende verlor er seine Arbeit. Er machte Schulden, mit denen er noch heute zu kämpfen hat. Nach Aufenthalten in der Entgiftung und zu Therapien ging es bisher immer wieder eine Weile gut - und dann kam doch wieder ein Rückfall.
Martin Maier ist einer von zahlreichen Klienten, die von den Mitarbeitern des Caritas-Suchthilfezentrums in Erfurt-Melchendorf begleitet werden. "Zu uns kommen Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen", sagt Leiter Friedhelm Krull. "Ein erheblicher Teil ist in den mittleren Jahren, zugleich aber wächst auch die Zahl der Jugendlichen, die bei uns mit Drogenproblemen Hilfe suchen", so der Diplom-Sozialarbeiter. Die Hälfte der Klienten des in einem DDR-Neubaugebiet gelegenen Suchthilfezentrums ist arbeitslos. 50 Prozent sind ledig, weitere 24 Prozent geschieden. Einige Hilfesuchende nehmen weite Wege auf sich, um in die Caritas-Beratungsstelle zu kommen. "Sie wollen von Nachbarn und Arbeitskollegen unerkannt bleiben, manche fürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn ihr Problem bekannt würde", so Friedhelm Krull. 1997 haben 438 Personen die Angebote der Beratungsstelle in Anspruch genommen.
1992 auf dem Gelände der Erfurt-Melchendorfer Pfarrei als Fachambulanz für Suchtkranke und Angehörige entstanden, hat sich die Einrichtung im Südosten Erfurts inzwischen zum ersten Caritas-Suchthilfezentrum im Bistum Erfurt entwickelt, das kürzlich eröffnet werden konnte. (Der Tag des Herrn berichtete.) Vorausgegangen waren strukturelle und auch bauliche Erweiterungen. In dem neuen Zentrum wird wie bisher Menschen, die in Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten, Nikotin und illegalen Drogen geraten sind, geholfen. Beratung gibt es auch bei Eßstörungen und Glücksspielsucht. Neben den Betroffenen können auch Angehörige, Freunde und sonstige Bezugspersonen Unterstützung finden. "Eine zentrale Aufgabe der Suchtberatungsstelle ist es, die Klienten dorthin zu vermitteln, wo sie für ihre Problemen die adäquate Hilfe erhalten", sagt Sozialarbeiter Krull. Das können neben Ärzten, Entgiftungs- und Therapie-Einrichtungen auch Schuldnerberatung, Arbeits- oder Sozialamt sein. Dabei geht es gegebenenfalls auch darum, die Betroffenen zu den entsprechenden Stellen zu begleiten. Friedhelm Krull: "Viele der Klienten kommen mit den Formalitäten nicht zu recht und haben Angst davor, ihre Anliegen und Ansprüche bei den Ämtern geltend zu machen."
Mit dem Tagestreff einschließlich Suppenküche in der Erfurter Theaterstraße unterhält das Caritas-Suchthilfezentrum auch ein niederschwelliges Angebot mitten im Stadtzentrum Erfurts. Hier ist einer der vier Diplom-Sozialarbeiter des Suchthilfezentrums tätig. Neue Möglichkeiten im Arbeitsbereich "Drogenprävention", wofür ein weiterer Sozialarbeiter eingesetzt ist, bieten sich in einem zusätzlichen und umfassend sanierten Gartenhaus auf dem Gelände der Suchthilfeeinrichtung. Neben Tagungen sollen dort Veranstaltungen zur Suchtprävention etwa hinsichtlich Drogenkonsums für unterschiedlichste Gruppen stattfinden. Außerdem bietet das Gartenhaus Platz für ein Stadtteilcafé mit Angeboten zu günstigen Preisen, das zunächst an drei Tagen in der Woche bis in den Abend geöffnet hat und von einer Selbsthilfegruppe betrieben wird. Und auch der schon einige Zeit in Selbsthilfe-Regie bestehende Töpferkurs findet im Gartenhaus sein Domizil. "Was uns leider weiterhin fehlt, sind tagesstrukturierende Angebote für unsere Klienten", beklagt Friedhelm Krull. "Wir bräuchten Möglichkeiten, denen, die Arbeiten wollen, eine Aufgabe anzubieten. Doch an ausreichenden Mitteln für Arbeitsprojekte scheitert es eben."
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Suchthilfezentrums, ist das abstinente betreute Wohnen mit 17 Plätzen in drei Wohngruppen sowie einem betreuten Einzelwohnen. Im Zuge der Umstrukturierung neu ins Leben gerufen und - mit ersten guten Erfolgen - noch in der Erprobungsphase ist die regelmäßige Telefonsprechstunde am Mittwochabend von 20.00 bis 22.00 Uhr. "Ein Angebot, das wie vieles andere auch ohne das Engagement aller unserer Mitarbeiter so nicht möglich wäre", sagt Leiter Friedhelm Krull.
Beratung / Infos über weitere Angebote: Caritas-Suchthilfezentrum S 13, Schulzenweg 13, 99097 Erfurt, Tel. 03 61 / 4 21 19 25, Fax: 03 61 / 4 21 19 83, Handy 01 72 / 3 58 47 79
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 05.07.1998