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Aus der Region

Der Bischof von Sibirien über die Geschichte

Rußlanddeutsche

Der Bischof von Sibirien, Joseph Werth, über die Geschichte der Rußlanddeutschen:

Ende des 18. Jahrhunderts lud der russische Zar Ausländern ins Land, um neueroberte Gebiete am Schwarzen Meer zu besiedeln ... Nach dem harten Anfang haben sich die Aussiedler aus Deutschland in ihrer neuen russischen Heimat gut eingelebt. Es entstanden viele deutsche Dörfer im Süden Rußlands ... Bei der ersten Einwanderungswelle, wurden an der Wolga mehr als hundert Dörfer von deutschen Kolonisten gegründet. Nach einem großen Mangel an katholischen Priestern in den Anfangsjahren, konnten sich unsere Vorfahren bald schon einer guten religiösen Betreuung erfreuen. Ein Priesterseminar wurde gegründet, Kirchen in den Dörfern gebaut, die Menschen wurden von Kindheit an im Glauben erzogen.

Wir sind aber nur Gast auf Erden. Das darf kein Mensch vergessen. Und so kam das Schreckensjahr 1917. Was in Jahrzehnten, Jahrhunderten aufgebaut worden war, wurde vernichtet. Es gab Krieg. Es kehrten ein Hunger, Elend und Tod und eine große Not. Die Enkel und Urenkel jener Einwanderer ... mußten sich wieder auf den Weg machen - diesmal gezwungenermaßen.

1931 kamen 30 000 deportierte Wolgadeutsche in den Steppen Kasachstans an. Der Winter stand vor der Tür. In der Erde mußten sich die Menschen Löcher graben, die sie mit Sträuchern bedenkten, darauf kam eine Schicht Lehm; diese Gruben dienten ihnen als erste notdürftige Wohnungen. Den kalten kasachischen Winter mit Temperaturen bis 40 Grad unter Null haben nur 12 000 Menschen überlebt.

Als sie von den Viehwaggons ausgeladen wurden und die Züge wegfuhren und sie allein in der leeren Steppe ohne Hab und Gut zurückblieben, da konnten sie nur ahnen, was noch auf sie zukommen würde. Und da war ein alter Mann, er wandte sich an die trostlose Menge mit Worten des festen Glaubens: "Brüder, wenn wir in guten Tagen Gott lobten, so wollen wir das auch in bösen Tagen nicht vergessen". Und er stimmte das "Großer Gott, wir loben Dich" an. Dieses Lied sollte die bedrängten, verängstigten, entmutigten Menschen daran erinnern, daß "wir von Gott geführt unterwegs sind". Al s ich später als junger Priester die zerstreuten Gemeinden in Rußland besuchte, erklang nach der Messe immer dieses Lied. Und war die Gemeinde noch so klein, das "Großer Gott, wir loben Dich" wurde jedesmal so kräftig gesungen, daß die Fenster zitterten ...

Mit der Zwangsaussiedlung in die Steppen Kasachstans in den 30er Jahren waren die Wege der Deutschen in Rußland noch nicht zu Ende. Der andere Teil blieb bis zu Beginn des Krieges 1941 in den Heimatdörfern. Dort konnten sie eine kurze Zeit unter der deutschen Besatzung wieder einigermaßen in Frieden leben. Sogar Priester aus Deutschland konnten wieder Seelsorge unter den Schwarzmeerdeutschen aufnehmen. Einer von ihnen war der vor kurzem verstorbene Limburger Weihbischof Walter Kampe. Aus jenen Gebieten, wohin die deutschen Truppen nicht kamen, wurden alle Rußlanddeutschen nach Sibirien und Kasachstan zwangsverschickt. Wenn wir heute in Sibirien zuversichtlich in die Zukunft schauen, so nur dank des Martyriums von Millionen. Der sibirische Boden, getränkt vom Blut der Märtyrer, von Leid der Völker ist jenes feste Fundament, auf dem wir Zuversicht bauen können.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 28 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.07.1998

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