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Aus der Region

Wenn Gottesdienst und Alltag miteinander zu tun haben

Amerikanischer Gospelchor

Dresden (tdh) - "... aber was geht am Sonntagmorgen in St. Francis los? Irgendetwas, das mehr ist als eine Messe, weit mehr als die gewöhnlichen Katholiken sonntags erleben. Das ist kein 45minütiger Schnelldurchlauf. Im Gegenteil: Es ist nicht eine Veranstaltung zum Selbstzweck, nicht irgendetwas, was besucht werden muß aus Furcht vor Sündenstrafen, sondern hier wird Hoffnung gefeiert. Hoffnung ist die Erfahrung, die jeden Sonntag in gleicher Weise die Kirche mit Musik füllt. In dieser Kirche ist Musik das Gebet." So war in einer Kulturzeitung in New Orleans in den USA zu lesen. Was hinter diesen Zeilen steht, konnten jetzt insgesamt rund 4500 Konzertbesuchen in Crostwitz, Dresden, Leipzig, Zwickau, Wechselburg und Freiberg erleben, denn dort war der Chor, über den die Zeitung berichtete, zu Gast.

"The Saint Francis de Sales" gilt als der bedeutendste katholische Gospelchor in den USA. Die Tradition der Gospelmusik in der Schwarzengemeinde "St. Francis de Sales" ist erst 30 Jahre alt. Gegründet wurde der Chor 1968 mit zwölf Mitgliedern. Heute gehören zu ihm 120 Sängerinnen und Sänger, von denen 18 auf Tournee waren. Niemand betreibt die Musik professionell: Die Sänger sind Briefträger und Lehrer, Verkäufer und Rentner. Der Chor ist für sie zur geistigen Heimat geworden. Musikalisch drücken die Sänger aus, was sie im Alltag erleben, was sie hoffen und glauben.

"Es geht nicht um uns, sondern wir sind ,Sprachrohr eines Höheren‘ - das ist das Selbstverständnis der Sänger, und es war faszinierend, das zu erleben", berichtet Guido Erbrich von der Jugendseelsorge des Bistums Dresden-Meißen, der die Idee zur Einladung hatte. Er lernte den Chor kennen, als er seine Diplomarbeit über diese Gemeinde schrieb.

"St. Francis" in New Orleans war bis 1967 eine von Weißen dominierte Einwanderergemeinde, in der die Schwarzen auf den hinteren Bänken saßen. Das änderte sich, als ein neuer Pfarrer begann, daß II. Vaticanum in der Gemeinde umzusetzen. Für die Schwarzen bestand der Geist des Konzils darin, daß sie erkannten, das die Kirche kein Selbstzweck ist. Und so hat die Gemeinde angefangen, sich um die Menschen um sie herum zu kümmern, ob sie zur Kirche gehören oder nicht. Aus einer der ärmsten Gegenden der Stadt ist so mittlerweile ein fast passable Gegend geworden. Die Gemeinde nahm dazu Politiker in die Pflicht, startete soziale Programme, und aus der Sonntagspredigt wurde auch schon mal eine Stadtteilbesprechung. Grundlage für dieses Engagement sind die Gottesdienste. Und gerade hier spielt der Chor und seine Musik eine wichtige Rolle.

Wie lebendig diese Gottesdienste sind, hat Guido Erbrich selbst erlebt: "Fremde werden am Anfang begrüßt und vorgestellt. Bei Friedensgruß gleich nach dem Schuldbekenntnis laufen die Leute durch die Kirche unterhalten sich, fragen wie es geht. Und die Predigt ist kein Monolog des Pfarrers. Die Gemeinde stimmt zu oder sagt, was ihr nicht paßt." Etwas von dieser Art Gottesdienst war beim Bistumsjugendtag in Wechselburg zu spüren, wo der Chor mit den 500 Jugendlichen die heilige Messe so feierte, wie sie es zu Hause tun.

Eingeladen war der Gospelchor anläßlich des Heilig-Geist-Jahres zur Vorbereitung auf die Jahrtausendwende. Guido Erbrich: "Hintergrund war die Idee vom Pfingsterlebnis: In verschiedenen Sprachen wird etwas verstanden." Und gerade Gospels eignen sich dazu, weil sie nicht besonders kompliziert sind. Vielleicht bleibt für diejenigen, die ein Konzert oder den Gottesdienst mit "St. Francis" erlebt haben, etwas mehr als nur eine schöne Erinnerung, nämlich die Erfahrung, welche Freude es machen kann, Gottesdienst zu feiern, vor allem dann, wenn Gottesdienst und Alltag wirklich etwas miteinander zu tun haben.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 28 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.07.1998

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